Liebe nus!
Die Katze ist der Gegenpol zum Protagonisten: Sie ist frei und unabhängig. Ihre Freiheit hat sie mit (einer) Verletzung(en) bezahlt, trotzdem gibt sie sie nicht auf. Hm. Ich dachte, ihre Rolle würde deutlich. Was meinst Du - was kann ich tun, um das klarer zu machen? Sollte ich vllt. eine normale Feld-Wald-und-Wiesen-Katze aus ihr machen anstelle einer Glückskatze? Weckt "Glückskatze" zu schnell falsche Assoziationen?
Nicht unbedingt. Falsche Assoziationen entstehen ja meist, weil dem Leser die gewünschten nicht klar werden. Die Katze ist wichtig, das erkennt der Leser und so reimt er sich was zusammen. Lilith verlieh den Augen Bedeutung, ich der Bezeichnung Glückskatze ...
In deiner Antwort finde ich etwas, das mir im Text nicht derart bewusst wurde: Die Katze ist frei und unabhängig. Für ihre Freiheit zahlte sie einen hohen Preis: ein Bein. Trotzdem gibt die Katze ihre Freiheit nicht auf.
Wenn es dir gelänge, den Protagonisten diese Sichtweise vermitteln zu lassen, sähe ich die Katze in einem anderen Licht.
Wahrscheinlich wäre ich zum Ergebnis gekommen, die Schnur sei die titelgebende Nabelschnur und symbolisiere Leben: als sie reißt, ist er tot.
Das überrascht mich. Bei "Nabelschnur" denke ich nicht zuerst an Leben, sondern zuerst an Mutter-Kind-Bindung.
Oh, das geht mir nicht anders.

Aber da sich nicht einmal mehr im Titel ein Hinweis auf die Mutter finden lassen würde, hätte ich ihr auch keine Rolle in der Geschichte zugedacht. Wie sollte ich die Mutter mit dem Protagonisten in Bezug setzen können, wenn sie nicht auftaucht. Damit meine ich nicht, dass die Mutter persönlich in Erscheinung treten sollte. Doch wenn es in dieser Geschichte um Bindung geht, muss da in meinen Augen mehr sein, als ein bindendes Objekt (die Schnur) oder ein Titel. Bindung ist emotional. Insbesondere eine Bindung, die ein Leben prägt und letztlich dessen Ende bedingt.
Was ist mit der Mutter? Ist es ihre Anwesenheit oder Abwesenheit, die den Protagonisten so plagt?
Es ist nicht wichtig, ob die Mutter da ist oder nicht - nicht einmal, ob sie lebt oder tot ist. Was ihn plagt, ist die Bindung an sie.
Wenn die Randbedingungen unwichtig sind, brauchst du die kleinen Details dieser Bindung. Die können persönlich, individuell oder aber sehr gut beobachtete Allgemeinplätze sein (hier würd mir spontan wenig einfallen).
Was hat es mit der Katze auf sich? Gehörte sie der Mutter und will nicht verschwinden? Oder handelt es sich beispielsweise um die Katze einer verehrten, doch fremd gebliebenen Nachbarin, die ihm einmal dieses spezielle Lächeln schenkte, das nur ihm und ihm allein gehörte.
Nein, das würde die Katze zum Objekt machen, zum Gegenstand. Sie ist nicht die Katze von jemandem, der eine Bedeutung für den Protagonisten hat. Sie ist selbst jemand, der eine Bedeutung hat.
Schwierig in dieser KG umzusetzen, wie ich finde. Wenn die Katze zu viel Persönlichkeit bekommt oder du herausarbeitest, wofür sie für den Protagonisten steht (Freiheit, Lebenslust, Mut, was auch immer), benötigst du ein ähnlich prägnantes Gegengewicht, das die Mutter-Kind-Bindung in den Vordergrund rückt, damit dein eigentliches Thema nicht verwässert. Das geht, denke ich, aber leicht ist das nicht. Persönlichkeiten werden stärker wahrgenommen als die kleinen Details oder auch Objekte wie die Schnur. Aber da die Schnur das Ungewöhnlichste an der Geschichte ist, sollte sich das machen lassen.
Muss es ein weißer Kieselstein sein oder könnte an dieser Stelle beispielsweise ein Baumstumpf stehen, jenes Überbleibsel einer abgesägten Kastanie und einer überbehüteten Kindheit, wo der Protagonist einst geklettert und gestürzt war?
Der Protagonist markiert mit weißen Kieselsteinen seinen Radius. Also kann es kein Baumstumpf sein. Aber dieses Radius-Markieren ist den anderen Röstern auch nicht klar genug geworden. Das muss ich noch deutlicher herausarbeiten.
Oder anders gefragt: Warum ist der Markierungspunkt an dieser Stelle? Die Punkte bilden einen Kreis mit einer Mitte, aber die äußeren Punkte wären beliebig, also warum diese eine Stelle?
Weil die Katze immer auf dem Gartenweg sitzt. Dieser spezielle Kieselstein markiert also den äußersten Punkt des Kreises auf dem Gartenweg.
Hm. Ich denke schon, dass den meisten klargeworden ist, der Protagonist markiert da seinen Radius. Problem scheint mir vielmehr das Motiv zu sein. Warum kann er nicht weiter - weil die Schnur das nicht hergibt. Aber warum? Daher auch meine Beispielfragen.
Das Austesten seiner Grenzen erfolgt in bisheriger Form technisch, da fehlt die Rolle von Emotionen, die Grundlage jeder Beziehung sind.
Hört er im Keller vielleicht die Schreie seiner Mutter, eingebildet oder real?
Warum sollte seine Mutter schreien?
Ach, das soll die gar nicht unbedingt. Aber wie ich dir schrieb: Der Titel "Mutter" gab mir einen Schlüssel in die Hand, bloß fand ich nicht die Tür.
Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, das mir nichts über die Mutter-Kind-Bindung klar geworden ist. Ich weiß weder wie er über sie denkt, noch was diese Person ausmachte und erst recht nicht, warum diese Bindung einen tödlichen Ausgang nimmt.
Klar ist mir nur, dass die Schnur ihn festhält und der Protagonist darauf bedacht ist, die Schnur nicht reißen zu lassen. Für eine Bewertung, Verständnis und ja, auch Akzeptanz dieser Tatsache fehlt mir das Fundament im Text.
Findet er dort Spielsachen aus seiner Kindheit: Das Fahrrad, das er nie benutzen durfte oder zu seiner Überraschung ein Sammelwerk aus unerfüllten (z. B. Weihnachts- und Geburtstags-) Wünschen, die sich stapeln wie die Anklageschrift einer vermeintlich besseren Kindheit?
Das mit den Spielsachen passt nicht, aber ich verstehe, was Du meinst: Es geht darum, den Protagonisten und seine Geschichte besser kennenzulernen. Ich habe diesen Punkt schon auf meiner ToDo-Liste notiert, habe im Moment dazu aber noch keine Ideen.
Freut mich, zu sehen, das sich die Geschichte in eine solche Richtung bewegen soll. Je nachdem, wie sehr du inhaltlich änderst, ließen sich an zahlreichen Stellen Hinweise einbauen. Es ist eine Groteske, das gibt eine Menge her. Was findet er im Kühlschrank, wie sieht sein Haus aus, was verbrennt er im Feuer, etc.
Gutes Gelingen!

Liebe Grüße
Nightingale