(So, und da ich einmal dabei bin, hier die längst überfällige Röstung, die ich noch vor meiner erneuten Anmeldung gechrieben hatte, die aber dann aus den verschiedensten Gründen erstmal liegenbleiben musste. Also nicht wundern, liebe Federfeuer: Wenn ich sage, ich habe eine Röstung geschrieben, dann habe ich eine Röstung geschrieben, auch, wenn es noch Millionen Jahre dauert, bis ich sie dann auch mal einstelle (*nicht hauen bitte*)

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Hi, Anni,

ich grüße Dich erstmal, ich bin nach einer längeren Zeit wieder hier im Forum und wir hatten uns ja noch nicht kennengelernt.
Dann lege ich mal gleich los:
Zum Verständnis im späteren Verlauf der RöstungDas "Ich" wirkt auf mich weiblich und Noah wirkt auf mich, als sei er entweder ihr Partner oder aber zumindest ein sehr guter Freund.
Zum Aspekt SpannungSpannung gleich am Anfang aufbauen ... ist sicher eine Herausforderung. Ich sehe das ähnlich wie Tika, dass dies nicht über einen noch anonymen Protagonisten funktionieren kann, den ich gerade das allererste Mal in irgendeiner Form wahrnehme und schon mal gar nicht irgendeinen gefühlsmäßigen Bezug aufbauen konnte. Über einen anonymen Prota funktioniert das also nicht - da muss ich etwas zu Hilfe nehmen.
Ich bin allerdings der Ansicht, dass man grundsätzlich durchaus Spannung direkt am Anfang aufbauen kann, z. B. durch ungewöhnliche Situationen, Szenen, die durchaus auch völlig protagonistenlos auskommen und eine Atmosphäre von Spannung aufbauen können.
Wenn es also am Anfang noch gar keine gemeinsame Ebene auf Basis eines individuellen Spannungskonfliktes des Protagonisten zwischen Leser und einem anonymen Protagonisten geben kann (da dieses Individuum noch nicht kennengelernt wurde, kein Bezug aufgebaut etc.), dann muss eben eine gemeinsame Ebene der Spannung zwischen Leser und einem übergeordneten Spannungsverhältnis gebildet werden, das zwar geichwohl Protagonist und Leser umfasst, aber die Spannung nicht vom Protagonisten abhängig macht.
Ein Beispiel, dass mich nach dem ersten Satz sofort weiterlesen ließe (da ich nunmal im Allgemeinen und so nicht anders angekündigt, davon ausgehe, dass ich von ener ganz gewöhnlichen Alltagswelt lese):
"Die Uhren liefen rückwärts.
In der Küche.
Im Wohnzimmer.
Im Schlafzimmer."
Wenn dann so allmählich zum Protagonisten, der dies erlebt, hingeschwenkt wird, dann kennen wir uns zwar noch nicht, aber wir werden durch eine äußerst spannende Gemeinsamkeit in gewisser Hinsicht geeint: Wir verstehen die Welt nicht mehr. Wir haben beide ein gemeinsames Thema, das uns gleichermaßen interessiert.
Und natürlich sind die Worte, ist die Situation austauschbar. Es geht nicht um rückwärtslaufende Uhren; es geht darum, den Leser sozusagen hinterrücks mit dem Prota zu verbinden: Denn jetzt denke ich schonmal: "Los, Prota, lauf. Ich will noch mehr sehen! Ich will wissen, was da los ist! Mach was!" Und ich denke, das ist doch eine ganz gute Gelegenheit, den Protagonisten, bei dem, was er denn dann macht, näher kennenzulernen ...
Aber hier geht es ja direkt am Anfang um ein anonymes Individuum ohne Namen mit einem zwar belastenden, aber durchaus nicht außergewöhnlichem Problem.
Die Angst als allgemeinmenschlich Bekanntes könnte evtl. einen gewissen Spannungseffekt enthalten, wenn dabei nicht so sehr auf dem Protagonisten-Individuum mit seinen Körper-Angst-Symptomen "herumgeklopft" würde.
Wenn überhaupt, dann würde ich versuchen, die Angst als übergeordnetes Spannungselement aufzubauen und das heißt: Fokus der Protagonistin nach außen, nicht nach innen (wie nehme ich meine Angst wahr?). Denn Angst kenne ich, die Protagonistin noch nicht.
Einen guten Ansatz hast Du da schon:
Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam.
Auf mich wirkt das wie ein - interessanter - scheinbarer Widerspruch: Die Formulierung "Es geht aufwärts." kenne ich i. A. für etwas Positives. Da dieses scheinbar Positive hier aber gleich abgeschwächt wird durch einen auf mich in dieser Gegenüberstellung eher beklemmend wirkenden Nachsatz, entsteht ein Spannungsfeld.
Natürlich könnte es grundsätzlich auch positiv gemeint sein, im Sinne von: Aaah, allmählich tut sich was Positives, es geht zwar langsam, aber dafür stetig aufwärts ... aber hierbei würde ich eher eine Formulierung wie "Es geht aufwärts. Langsam, aber unaufhaltsam." erwarten.
In diesem Text aber fungieren die beiden Begriffe nicht als Gegensatzpaar, sondern sie arbeiten sozusagen im Verbund miteinander. Wie erwähnt, auf mich wirkt das beklemmend. Und ich werde nicht enttäuscht, denn mein gefühlsmäßiger Eindruck wird ja im weiteren Verlauf des Textes bestätigt.
So weit, so gut.
Aber dann wird der Fokus vom Allgemein-Bedrohlichen sehr schnell auf die Protagonistin und ihre individuelle Angst gerichtet, es werden körperliche Symptome aufgezählt und hie und da ein kommentierender Gedanke zu ihrer Angst.
M. E. wäre es wichtig zu wissen, wie stark die Angst tatsächlich ist.
Du schreibst:
Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.
Lilith hat ja schon was dazu geschrieben. Und auch ich kann diesen Satz im Sinne dessen, dass sie lieber zerfleischt werden würde als diese Art der Höhenangst zu erleben, nicht Ernst nehmen.
Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass dieser Vergleich nicht vom Verstand gesprochen, sondern gleichfalls von der Angst diktiert wird. Also, ich würde sagen, dass wir durchaus ab und an sagen: Ich würde lieber das und das (Angstbesetzte) erleben als das und das (Angstbesetzte) ,,, vielleicht deswegen, weil irgendwo im Hintergrund von Herz und Hirn, für uns praktischerweise nicht so ganz greifbar, herumschwirrt, dass die schliiiimme Angstsituation, die wir da als Vergleich heranziehen, vermutlich niemals eintreten wird ... Aber ob Du das so gemeint hast, was ich mir hier so ausdenke ...?

Nehme ich den Satz "Ich würde ohne zu zögern in .... springen." also in Bezug auf die Intensität der Angst sehr ernst, müsste die Angst extrem stark sein und je stärker die Angst, desto (soweit ich informiert bin, und nach meinen eigenen Erfahrungen und denen anderer) weniger Wahrnehmung eigener Reaktionen darauf, aber desto größer die Wahrnehmung dessen, WAS ANGST MACHT! Das ist ja das Eigenartige: In extremen Angstsituationen ist eine sehr häufig Variante, dass wir starren auf das, was Angst macht (Aaaachtung: Wir starren nicht nur mit den Augen ... es sind ja nicht die Augen, es ist ja nicht der Blick, es ist das gesamte Wahrnehmungspektrum extrem verengt und verdichtet auf einen einzigen Fokus. Deswegen auch ist es schwierig, einzelne Aspekte davon herauszulösen, um so Spannung aufzubauen). Wir lassen es nicht los, kleben mit unserer Wahrnehmung an dem, was Angst macht, nicht an unseren Reaktionen auf unsere Angst. Die mögen wir vielleicht noch als eine Art Hintergrundrauschen wahrnehmen, aber wir sind nicht voll darauf konzentriert. Und mit kommentierendem Denken dazu ist da schonmal gar nichts mehr. Bei entsprechender Stärke der Angst.
Es spielen halt - wie so häufig - ganz viele Parameter eine Rolle; Angstreaktionen haben eine enorme Bandbreite ... aber es geht ja um einen Spannungseffekt und nicht um eine Doktorarbeit, also sollten m. E. die eher bekannten Angstreaktionen ausreichen.
Es heißt ja nicht umsonst: Wie gelähmt vor Angst. Er-starren oder - Flucht. Aber wohin und wie soll sie in der Situation flüchten?
Also, was macht hier Angst? Und wie verbinde ich das mit einer Spannung für den Leser?
Das wäre z. B. das Hochfahren, das laaangsame Hochfahren, fahren Riesenräder nicht seeeehr laaangsam? Vor allem, wenn man Angst hat, dann fahren sie noch langsamer, die unsicher breit wackelnde Gondel, das kleine und immer dicher werdende gondelnde Gefängnis in all der haltlosen Luft in allen Richtungen, Ausstieg unmöglich, Weglaufen unmöglich: Ausgeliefert.
Bitte, es geht natürlich nicht um wortwörtliche Übernahme: Es geht um Bilder. Und zumindest in diesem Fall würde ich wirklich soweit möglich Gegenständliches nehmen und dann die Angst hineinhalten und damit spielen.
Mir geht es hiermit nur darum, dass Angst auch völlig ohne jede körperliche Reaktion auf diese dargestellt werden kann. Natürlich so, wie Du Dir die Bilder dieser Fahrt rauspicken willst, aber dann fände ich es eben schön, wenn eben wirklich die Innenreaktion über und durch die Außensituation dargestellt bzw. gespiegelt wird.
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Möglicherweise solltest Du die im Text als "Höhenangst" bezeichnete Angst spezifizieren; Uli hat das sehr schön als Höhenbewegungsangst (hin und weg, wobei hin zur Höhe wesentlich schlimmer zu sein scheint) ausgedrückt. Wenn das zutrifft, dann nehme ich Dir noch ab, dass die Protagonistin, als das Rad
still steht, sich umschauen und sogar die Faszination des Anblicks spüren kann.
Hätte sie "nur" eine pure Höhenangst, dann frage ich mich, wieso sie an einer Stelle, an dem die Höhenangst doch auch ihren Höhepunkt haben sollte, nämlich am höchsten Punkt, plötzlich ihre Augen öffnen, sich gründlich umsehen und auch noch Vergleiche finden kann für das, was sie sieht. Anstatt ungewollt panisch in die Tiefe zu gucken und
aus der Gondel in Ohnmacht zu fallen.
Wo will die Geschichte hin?Ich hoffe sehr, dass die Höhenbewegungsangst noch eine Fortsetzung (dann vielleicht in einer fantasyhaften Dimension, schließlich soll es ja eine Fantasygeschichte sein) hat und einen Hintergrund und nicht nur dazu gedacht ist, den Leser in die Geschichte zu ziehen ... um dann mit etwas ganz Anderem weiterzumachen.
Du hast meine Aufmerksamkeit auf ihr Problem gerichtet, also will ich jetzt wissen, wie es mit ihrem Problem weitergeht, denn auf mich wirkt es so, als habe sie ihre Angst zwar punktuell überwunden (entweder diesem Noah zuliebe oder eben Noah als eine Art Energiequelle), aber nicht etwa aufgelöst:
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich, dass ich , trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde."
Das zeigt ja, dass die Angst nicht aufgelöst ist, auch dann nicht, wenn sie punktuell als überwunden erscheint. Denn:
Die hier erwähnte
Vorfreude bezieht sich auf das
baldige Ende dieser Fahrt .
Warum sollte sie sich darauf freuen, wenn die Angst aufgelöst ist? Dann stelle ich mir doch eher einen Jubel über die endlich aufgelöste Angst vor, die zu einer gelösten Stimmung führt, vielleicht mit einer Vorfreude darauf, sogleich die nächste Fahrt anzustreben, weil endlich frisch und frei genießen könnend.
Durch eben eine enorme Energiegewinnung einer nicht nur über-wundenen, sondern auf-GELÖSTEN Angst.
Doch der Grund dafür, dass sie wieder einsteigen würde, ist nicht die aufgelöste Angst, sondern der Blick in Noahs strahlendes Gesicht. Und das hat doch Spannungspotenzial.
Zudem:
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Bald ist es vorbei.
Es ist also immer noch wichtig, dass es bald vorbei ist, sonst wäre dies nicht erwähnenswert.
Die Kurve der Panik wird beim Abwärtsfahren zwar flacher gezeichnet, aber die grundlegende Panik bleibt anscheinend erhalten - und ich könnte mir vorstellen, dass sie bei passender Gelegeneit wieder aufflammt.
Und das ist gut so, denn es enthält doch einiges an Konfliktpotenzial - vor allem, wenn ich davon ausgehe, dass sie es diesmal geschafft hat, weil Noah dabei war, so eine Art seelische Unterstützung - aber was, wenn sie in eine Situation gerät, neben der die Situation im Riesenrad wie eine Tändelei mit der Angst wirkt, eine Situation, in der sie wieder ihrer Höhenangst ausgesetzt ist, diesmal gänzlich unfreiwillig und die lebensbedrohlich ist - für Noah. Und sie ihn retten muss.
Und sie genau das, was sie retten muss, braucht, um es retten zu können?
Natürlich lassen sich noch andere Szenarien denken, aber ich hoffe zumindest sehr (teuflisch gemein, wie sich das gehört), dass dieses Problem der Protagonistin noch lange nicht vom Tisch ist.
So, ich hoffe, Du kannst das Ein oder Andere gebrauchen, wenn nicht für diese, dann vielleicht für eine andere Geschichte.
Uuuund natürlich kann ich mich vertun, Dinge nicht zu Ende denken usw. usw. Dann hilf Du mir bitte dabei weiter, wenn ich was übersehen haben sollte im Eifer meiner Röstfiebers.
Liebe Grüße

Wave