Hallo Uli,
ich denke, wer nach diesem Anfang keine Lust hat, bis zur U-Bahn-Szene weiterzulesen, der ist nicht von dieser Welt.
Um aber zunächst auf deine Fragen einzugehen:
Wie wirkt der Erzähler in seiner psychischen Verfassung:
Nun, er wirkt absolut gelassen, beinahe abgebrüht. Wie ein Profikiller. Ein wenig Verwirrung schwingt für mich mit, unterstützt durch den doch recht abgehackten Satzbau. Er kann sich nicht recht erklären, wie er zu seinen Fähigkeiten (und wohl auch zu seinem Wissen, das er zweifelsohne besitzt) eigentlich gekommen ist, weiß nur, es hängt mit den drei Männern zusammen, die "etwas" in ihm ausgelöst haben.
Die Aktionszene:
Wird ganz klar nicht als Aktionszene beschrieben. Die Beschreibung ist distanziert, kühl, eher analytisch. Eine bloße Erklärung einer Tatsache eben.
Für meinen Geschmack könntest du die Rückblenden durch entsprechende Wortwahl noch etwas feiner kaschieren, so dass sie sich nicht so als Rückblende aufdrängt sondern unauffälliger verschmilzt.
Konkret meine ich diesen Satz:
Und nachdem drei Dutzend Termitgeschosse von jeweils 300 Gramm die Station abgefackelt hatten, hat auch niemand nach dem Verursacher der - Gasexplosion sagen sie - groß gesucht, denke ich.
Der gefällt mir irgendwie nicht so ganz. Liegt wohl daran, dass du dich hier schon in der Vergangenheit bewegtest und dann diesen Satz mit einem recht unangenehmen "hatten" noch hinterher geschoben hast. Jedenfalls springt er mir ins Auge.
Worum es bei der Geschichte meiner Meinung nach geht:
Nach dem, was ich herauslese geht es um irgend eine große Sache - welche ist noch unklar und wirft wunderbare Fragen auf. Geht es um eine Sache, die das Land gefährdet? Geht es um eine Verschwörung, in der die Politik ganz groß mit drin steckt? Geht es um die Weltsicherheit? Da ist alles drin.
Was es auch ist: Die Sache ist heikel. Heikel genug, um (so verstehe ich das) einen Agenten oder zumindest jemanden mit einer Spezialausbildung seiner Erinnerungen zu berauben und auf Knopfdruck auf seine Fähigkeiten zugreifen zu können ohne einen unangenehmen Mitwisser zu haben. Wenn er erwischt wird - schade für ihn. Anrichten kann er damit nichts.
Der Fairness halber wäre es wohl nett, ihm einfach nur wieder das Gedächtnis zu schrotten, wenn er seine Arbeit getan hat. Aber die Welt ist leider nicht nett. Und so gehe ich davon aus, dass man ihn dann womöglich am Ende noch "verräumen" will.
Ein paar Rechtschreibfehler sind drin. Aber die findest du ja auch selbst.
Zwei Dinge haben mich ein wenig verwirrt (meine rein subjektive Meinung - aber sind Meinungen das nicht immer?):
Ein paar Leute versuchen hinter das Geheimnis zu kommen - das ich, wie erwähnt, gar nicht kenne - und ich versuche, das zu verhindern.
Woher will er denn dann wissen, dass es dieses Geheimnis gibt? Hat man ihm dieses Wissen irgendwie bei seiner Gehirnwäsche mit impliziert? Oder hatte er Kontakt mit jemandem, der ihm einen Hinweis gab?
Bis zu diesem Moment wusste ich gar nicht, was eine Thermo-Rak ist, wie man sie bedient und was sie anrichten kann, aber … egal.
Jetzt wusste ich es, und konnte die Garben aus den Halbautomaten der drei Typen korrekt beantworten. Und rechtzeitig, bevor sie ran waren.
Ganz ehrlich? Ich weiß auch nicht was eine Thermo-Rak ist. Mir genügt auch zu wissen, wofür er sie verwendet um mir den Rest zu denken. Aber ich frage mich doch ernsthaft, wie er an die so plötzlich rankam. Kriegt man sowas neuerdings im U-Bahn-Schacht?
Zusammengefasst:
Der Text hat mir sehr gut gefallen. Obwohl er nicht dick aufträgt sondern eher nüchtern bleibt (wohl eher gerade deshalb) erzeugt er ungeheure Wirkung. Du wirfst eine Menge Fragen auf, die alle unbeantwortet bleiben und - aaaaargh! Verdammt noch eins, ich kaue mir gleich die Fingernägel ab, wenn ich nicht sofort weiterlesen kann!!!
Die Dopplungen da und dort waren wohl bewusst gewählt um die Wirkung zu verstärken und erfüllen ihren Zweck. Die kurzen, abgehackten Sätze schaffen die richtige Atmosphäre und treiben das Tempo voran, der Stil ist gut.
Um es kurz zu machen:
Du enttäuschst mich.

Schäm dich.