Autor Thema: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)  (Gelesen 3669 mal)

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Uli

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Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« am: 26 September 2020, 22:34:01 »
Jaja ... ich schon wieder ...

Aber die Hölle ist halt nicht zugefroren, die Grills stehen noch und irgendwo ... ja, hier ... ist noch etwas Glut. Und Lava  :lava: Also.

Ein (selbst für meine Verhältnisse) sehr kurzer Text, von dem ich nicht so recht weiß, in welche Schublade er gehört. Vielleicht ins Theater? Oder in eine neue Sammlung?
Anderthalb Minuten braucht es, um das Ding vorzulesen ... ein Häppchen auf dem Grill, kein Steak.
Viel Spass damit!

Rosenliebe

Leute, die Rosen lieben, sammeln diese.
Und wissen von jeder einzelnen, woher sie stammt, wer sie wann und wo gezüchtet hat, und all sowas.
Sorgfältig achten diese Leute darauf, dass ihre Rosen immer gut gedüngt sind, keinen Schädlingsbefall erleiden und die genau richtige Menge Wasser bekommen.
Der richtige Platz ist wichtig, damit kein Wind die Rose beeinträchtigt, und genügend, aber auch nicht zu viel Sonne sie erreicht. Und im Winter bekommen die Rosen einen Schutz, werden gehäufelt, eingepackt und so vor dem Frost geschützt.

Damit die Rosen reich blühen, denn eben dafür liebt man sie.

Jede einzelne wird fachgerecht beschnitten, mehrmals im Jahr, und die abgeblühten Teile werden entfernt - weil, nur dann treiben neue Blüten nach.

Natürlich wird vor jedem Schnitt die Schere geprüft, es dürfen keine Scharten in der Schneide sein, und die Schärfe muss stimmen, sonst leidet die Rose. Und blüht nicht. Also, nicht genug.

So hat man immer zu tun mit den geliebten Rosen, mit Wässern, Düngen und Schneiden und allem. Und dann, wenn die Blütenpracht ihren Höhepunkt erreicht, dann lehnt man sich zurück und liebt sie. Weil sie artig blüht. Da freut man sich.
Wie schön.

Eine Rose zu sein ist nicht einfach, ganz besonders, wenn man so geliebt wird.

Offline eska

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #1 am: 27 September 2020, 22:08:52 »
Lieber Uli;

ja, ich schon wieder. :klugklo:

Am besten gefällt mir an deinem Text der letzte Satz. Alles andere vorher ist ein bisschen wie eine gärtnerische Anleitung zur Rosenpflege - so ausführlich brauche ich das hier nicht.
Meinem Empfinden nach könntest du das Häppchen sozusagen auf ein Sushi-Röllchen eindampfen: ein, zwei Sätze pointiert zu all dem, was Liebhaber mit und für (?) ihre Rosen veranstalten, dann die Quintessenz im Kontrast. Ein bisschen wie ein Aphorismus. Schau mal, ob die Idee dir zusagt. ;)

Gruß,

eska
  • Ich schreibe gerade: mal wieder kaum. Feinschliff Lethbridge ist dran. Diverses liegt wieder auf Eis.

Uli

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #2 am: 28 September 2020, 03:08:03 »
Zitat
ja, ich schon wieder. :klugklo:

warum wundert mich das nicht?

ay Eska,
Danke dir!

Es macht mich ja fast ein bisschen stolz, mit 17 Sätzen und einer Minute Lesezeit noch immer Längen produzieren zu können ...  :cheese:

Aber Ernst beiseite: Stimmt vollkommen, der letzte Satz ist der, um den es geht.
Und eigentlich habe ich damit gerechnet, dass das Bedürfnis laut wird, den noch etwas auszuführen, mindestens damit, das ˋsein ´ kursiv zu setzen.
Stattdessen nun ... naja.

Grundsätzlich stimmt dein Eindruck, die ˋTipps zur Rosenpflege ´ stammen durchweg aus entsprechenden Anleitungen - und die sind allesamt falsch. Daher auch der ein wenig gelangweilte Grundton in diesem Teil, die mentale Distanzierung. Was vielleicht das Gefühl von Länge ausmacht, aber ... an sich soll es das auch.
Genaugenommen triffst du es exakt mit dem Satz ˋbrauche ich (hier) nicht ´.
Obwohl oder weil das jeder so sagt.
(Meine persönliche Anleitung zur Rosenpflege umfasst ziemlich genau einen Satz, der ohne Kommata auskommt - allerdings braucht es - unter Anleitung - zwei oder drei Jahre, den ganz zu verstehen ...)

Ich weiß nicht, ob der Effekt mit einem Dreizeiler so zustandekommt ... außer bei Leuten, die so genau hinschauen, dass man ihnen sowas auch nicht mehr sagen muss. Hmmm.
Aber ich setze auf alle Fälle einen Merker an den Text, für den Tag an dem ich mit Aphorismen anfange. (Meiner Schreibfaulheit käme das ja entgegen, immerhin)

 :danke2:

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #3 am: 28 September 2020, 09:14:13 »
Hm. Ich kenne mich mit Rosen nicht aus. Heißt das, man muss sie gar nicht so beschneiden und betüddeln? Dann wird der Text zur Beschreibung einer Qualzüchtung. Arme Rose.

Inhaltlich bin ich also etwas ratlos. Formell ist es ok, nur ersetze doch bitte das schreckliche "weil, nur dann" durch "denn nur dann".
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Uli

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #4 am: 28 September 2020, 14:14:27 »
dops!

ay CheFFin,

rein fachlich: Das ist die Andeutung von ˋQual-Pflege ´ - Qual- Züchtungen gibt es leider auch, und zwar massenhaft. Da könnte ich längere Zeit drüber referieren (und es gibt Punkte, die dabei recht ... nun, ambivalent sind, weil man entsprechend gezüchtete Rosen tatsächlich betüddeln muss), aber das lasse ich mal.
Außer, wenn jemand fragt.
(Was seit 30 Jahren niemand getan hat ...)

Das ˋweil ´ ... OK, das kann ich ersetzen. Ist eine echte Kniefiseligkeit: Gesprochen (mit einer winzigen Pause) ist der Effekt, dass hier eine unzureichende Begründung ˋnachgereicht ´ wird, während das ˋdenn ´ eine Kausalität andeutet. Naja.
Vielleicht zu sehr an Theater gedacht, und zu wenig an Text.

Es geht darum, dass diese ganze ˋErziehung ´ nur das Ziel hat, möglichst viele Blüten zu erzwingen - nicht darum, dass es dem Klienten gut geht. Und die Blüte wird so interpretiert, dass man alles zum Wohle der Klienten getan hat, obwohl damit nur das eigene Bedürfnis des Pflegenden befriedigt wird.
Die eigentliche Gemeinheit ist, dass man problemlos das Wort ˋRosen ´ durch ˋKinder ´ ersetzen kann.

Danke fürs Lesen und rösten!

Offline Trippelschritt

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #5 am: 28 September 2020, 21:26:13 »
Mir gefällt es so, wie es ist. Längenmäßig meine ich. Zu kurz würde die Pointe schmälern.
Textlich könnte noch ein wenig poliert werden. Vor einer Veröffentlichung oder so. Die Chefin hat ja schon was angemerkt.

Doch, doch, ein amüsanter Text.
meint der Trippelschritt.
Gern gelesen!!!
  • Ich schreibe gerade: Tamalone, hieß früher mal Ypsilone
Womit kann der alte Vol Jin euch helfen

Uli

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #6 am: 29 September 2020, 21:36:04 »
 :jump2:

Lilith

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Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #7 am: 29 September 2020, 23:44:40 »
Hallo Uli,

mir geht's wie eska. Ich finde auch, dass der letzte Satz der spannendste ist. Alles davor ist dermaßen subtil und unspektakulär, dass die Pointe am Ende zwar durchaus verfängt, aber auch abgeschwächt wird. Deshalb würde ich ebenfalls zum Kürzen raten. Vielleicht haben ja gerade so knapp gehaltene Texte das Potenzial, "zu lang" (;D) zu werden, weil man mehr Worte schinden will?
Jedenfalls ist mir der Anfang zu laberig für eine Auflösung als quasi "goldener Käfig"-Situation - und das, obwohl ich den Gedanken mit der Kindererziehung ab der Pointe durchaus hatte. Vorher "passiert" inhaltlich so wenig, dass ich nur deshalb bei der Stange geblieben bin, weil ich wusste, dass bei dir noch was kommen muss.

Außerdem hatte ich beim Lesen die ganze Zeit zwei andere Amateurtexte mit Rosenthema im Hinterkopf und, nimm's mir nicht übel, aber die finde ich beide besser, obwohl sie auf grundverschiedene Aussagen abzielen.

Wo zieht es sich zu sehr und warum?
(Merke: Die Stellen müssen nicht zwingend rausgekürzt werden; du könntest sie auch umformulieren, damit der gewünschte Inhalt besser zur Geltung kommt und nicht so vorbeirauscht. Mich reizt die Pointe leider nicht dazu, mir den vorigen Text noch mal genauer anzuschauen, damit die Details verfangen könnten.)

Leute, die Rosen lieben, sammeln diese.
Und wissen von jeder einzelnen, woher sie stammt, wer sie wann und wo gezüchtet hat, und all sowas.
Finde ich okay, bis auf Redundanzen in der Formulierung.
Zitat
Sorgfältig achten diese Leute darauf, dass ihre Rosen immer gut gedüngt sind, keinen Schädlingsbefall erleiden und die genau richtige Menge Wasser bekommen.
Der richtige Platz ist wichtig, damit kein Wind die Rose beeinträchtigt, und genügend, aber auch nicht zu viel Sonne sie erreicht. Und im Winter bekommen die Rosen einen Schutz, werden gehäufelt, eingepackt und so vor dem Frost geschützt.

Damit die Rosen reich blühen, denn eben dafür liebt man sie.
Ich weiß jetzt aus den Kommentaren, dass "reich blühen" dir wichtig ist, aber bis hierher habe ich nichts anderes bekommen als sorgfältige Beschreibungen darüber, was Menschen, die Rosen lieben, so alles machen.
"Menschen, die Modelleisenbahnen lieben, sammeln sie.
Und wissen von jeder einzelnen, welche Nummer jeder Wagon hat, wer ihn wann auf welcher Strecke eingesetzt hat, und all sowas.
Der richtige Platz ist wichtig, damit die Bahn unbeeinträchtigt fahren kann, die Landschaft originalgetreu nachgebildet wird und Licht und Schatten die richtige Wirkung entfalten. Und immer muss die richtige Menge Schmieröl verwendet werden, jedes Rädchen nachgeschraubt und so abgesichert werden."

Zitat
Jede einzelne wird fachgerecht beschnitten, mehrmals im Jahr, und die abgeblühten Teile werden entfernt - weil, nur dann treiben neue Blüten nach.
Natürlich wird vor jedem Schnitt die Schere geprüft, es dürfen keine Scharten in der Schneide sein, und die Schärfe muss stimmen, sonst leidet die Rose. Und blüht nicht. Also, nicht genug.
"Jede einzelne wird fachgerecht bemalt, mehrmals im Jahr, und die kleinten Kratzer werden entfernt - weil, nur dann leuchten die Farben weiter kräfitg.
Natürlich wird vor jedem Strich der Pinsel geprüft, es dürfen keine Spritzer auf dem Holz entstehen, und die Zusammensetzung muss stimmen, sonst leidet das Holz. Und wird matt. Also, nicht leuchtend genug."

So geht das weiter - und wenn du mehr Akzente setzen würdest, die ab und zu erahnen lassen, dass es hier noch um etwas anderes geht als um die Frage, wie Rosenzüchter oder eben Modelleisenbahner ihr Hobby betreiben, dann könntest du mich schon früher auf eine Fährte locken (es muss ja nicht die richtige sein) und mir mit der Pointe einen Stich versetzen.

Vielleicht reicht tatsächlich der letzte Satz, ein bisschen umformuliert, um die Aussage rüberzubringen. Die fände ich dann auch stärker. :)

Liebe Grüße!
Lilith

Uli

  • Gast
Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #8 am: 30 September 2020, 12:16:06 »
ay Lilith,

Große Freude, von dir zu lesen!

Deine Übertragung auf Modeleisenbahner ist ziemlich genial - danke dafür!
Weil, das hat mich auf eine Spur gebracht, die ziemlich wichtig zu sein scheint.

Erstmal: Genau. Die ˋRosenpflegehandlungen ´ sind austauschbar, durch so ziemlich jedes Hobby- Nerd-Zeug. Da steckt nichts weiter drin, als eben dieses ˋSpezialistenwissen ´, und einzig der Satz über die Motivation könnte ˋspannend ´ sein: ˋDamit sie reich blühen, denn dafür liebt man sie ´.
Das grundsätzliche Nicht-wirklich-interessiert-Sein an den Handlungen an sich ist für mich OK, ich könnte inhaltlich auch sagen:
Leute, die Rosen lieben, machen einen Haufen komisches Zeug, damit die Rosen reich blühen. Denn dafür lieben sie Rosen, wegen der Blüte.
Nur ... dann hinge die Pointe völlig in der Luft.

Die einzelnen Handlungen ˋpointierter ´ darzustellen ist erstmal keine Option (obwohl das ginge). Nur die Sache ˋgibt sich echt viel Mühe, aus Liebe ´ wäre dann dahin.
OK ...

die Spur ist: Offenbar braucht dieser Text tatsächlich noch etwas, einen weiteren Zugang.
Vielleicht als Teil einer Sammlung, vielleicht durch den Vortrag - oder durch beides, als Teil einer Lesung. Um a) Den wichtigen Satz pointieren zu können, und b) durch den anderen Teil zu tragen.
 
Ach ja:
Dass der Text noch einmal gelesen wird, um die Pflegehandlungen noch einmal zu betrachten, ist auch kein Plan: Da sind schlicht keine Details, aus denen man ableiten könnte, dass dies alles falsch ist. Das ist Lehrmeinung, ohne eine Chance, das zu hinterfragen.
Und das ist sogar alles bewiesen: Tatsächlich erreicht man damit das Ziel einer reichen Blüte.
Hinterfragen mag ich nur die Motivation (vorgeblich Liebe) und das, was die Geliebte wohl davon hält.

Ich denke, ich lege diesen Text erstmal den Theaterleuten vor, und sehe dann weiter.

Viele :b5: und vielen Dank!




btw: es gibt die eingedampfte Fassung von Böll.
Wenn Herr K. einen Menschen liebte
»Was tun Sie«, wurde Herr K. gefragt, »wenn Sie einen Menschen lieben?« »Ich mache einen Entwurf von ihm«, sagte Herr K., »und sorge, daß er ihm ähnlich wird.« »Wer? Der Entwurf?« »Nein«, sagte Herr K., »der Mensch.«

Und eine Bibelstelle:
Spr 13,24,
»Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.«
(Übersetzung Lutter)

Lilith

  • Gast
Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #9 am: 17 December 2020, 16:03:00 »
Hallo Uli,

ich bin's wieder.
Keine Angst, ich habe jetzt nicht drei Monate lang über deinen Text gegrübelt. Aber er ist mir gestern noch mal eingefallen, als ich über den Sprachstil einer meiner Figuren nachdachte und den weit verbreiteten "weil"-Fehler als Idiotismus/Charakteristikum in Betracht zog. Ich glaube, ich weiß jetzt endlich, was mich am Text (und deinen Erklärungen) so gestört hat; basierend auf meiner Überzeugung, "was einen guten Text ausmacht". Die Begründung ist also sehr subjektiv gefärbt und entsprechend zu werten.

Zitat
Erstmal: Genau. Die ˋRosenpflegehandlungen ´ sind austauschbar, durch so ziemlich jedes Hobby- Nerd-Zeug. Da steckt nichts weiter drin, als eben dieses ˋSpezialistenwissen ´, und einzig der Satz über die Motivation könnte ˋspannend ´ sein: ˋDamit sie reich blühen, denn dafür liebt man sie ´.
Das grundsätzliche Nicht-wirklich-interessiert-Sein an den Handlungen an sich ist für mich OK, ich könnte inhaltlich auch sagen:
Leute, die Rosen lieben, machen einen Haufen komisches Zeug, damit die Rosen reich blühen. Denn dafür lieben sie Rosen, wegen der Blüte.
Nur ... dann hinge die Pointe völlig in der Luft.
Den Eindruck habe ich auch.

Zitat
Die einzelnen Handlungen ˋpointierter ´ darzustellen ist erstmal keine Option (obwohl das ginge). Nur die Sache ˋgibt sich echt viel Mühe, aus Liebe ´ wäre dann dahin.
OK ...

die Spur ist: Offenbar braucht dieser Text tatsächlich noch etwas, einen weiteren Zugang.
Vielleicht als Teil einer Sammlung, vielleicht durch den Vortrag - oder durch beides, als Teil einer Lesung. Um a) Den wichtigen Satz pointieren zu können, und b) durch den anderen Teil zu tragen.

Ach ja:
Dass der Text noch einmal gelesen wird, um die Pflegehandlungen noch einmal zu betrachten, ist auch kein Plan: Da sind schlicht keine Details, aus denen man ableiten könnte, dass dies alles falsch ist. Das ist Lehrmeinung, ohne eine Chance, das zu hinterfragen.
Und auch dem stimme ich zu.

Eigentlich hast du selbst die Begründung dafür gefunden, warum das (bei mir) nicht funktioniert und wo die Lösung zu finden ist:
Zitat
Und eine Bibelstelle:
Spr 13,24,
»Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.«

Ich denke, der Grundwert/-konflikt, auf dem dieser Text aufbaut, ist Überzeugung vs. Wahrheit im Sinne des Nietzsche-Zitats: "Die Überzeugung ist ein schlimmerer Feind der Wahrheit als die Lüge."
Rosenzucht übertragen auf Beziehungen, die ganz grundsätzlich auf einer Form von Liebe fußen: z.B. Partnerschaften, aber eben auch Eltern-Kind-Beziehungen oder manche Freundschaften - "Sei bitte so, wie ich dich gerne hätte." Wenn der Grundsatz der Liebe, so wie ich deine Aussage verstehe, sein sollte: "Ich liebe dich so, wie du bist", ohne den Zusatz: "So und nicht anders", sondern: "Wenn ich dich liebe, liebe ich dich immer so, wie du bist, und nicht, wie ich dich gerne sehen würde." Ist das richtig?
Man könnte auch Zucht vs. Natur draus machen, aber das finde ich nicht so, hm, archaisch.
(Menschen züchten Pflanzen und Tiere, damit sie ihre Bedürfnisse besser erfüllen, die Natur wird zu einem Zweck benutzt/ausgenutzt. Etwas/jemand darf nicht sein, wie die Natur es vorsieht, sondern muss einem Ideal entsprechen - womit wir wieder bei Überzeugung und Wahrheit wären.)

Die Pointe im Vergleich zum Rest ist das, was mir am Text negativ auffällt: Ich habe den Eindruck, der Text trägt die Pointe nicht bzw. nur schwach. Insofern führt "die Spur" mit dem Modelleisenbahner wohl tatsächlich in die gewünschte Richtung: Jemand ist vernarrt in etwas (jemanden) und tut dafür allerlei Dinge, die von außen besehen "seltsam" anmuten. Nur: eine Modelleisenbahn leidet nicht unter dem Wunschbild, das ihr Besitzer von ihr hat. Eine Rose könnte drunter leiden - als Lebewesen -, aber wird es wahrscheinlich nicht tun, wenn man sie "nach Lehrmeinung" aufzieht. Wie sehr das stimmt, können du und andere passionierte Gärtner besser beurteilen als ich, aber für den Laien sind die Feinheiten aus dem Text kaum erkennbar.

Zum "weil" möchte ich sagen, dass mich das deshalb stört, weil ich denke, dass die Nuance, auf die du abzielst, von den meisten nicht so gelesen/gehört wird. Natürlich kann man darauf verzichten, ich z.B. habe sie aus dem Kontext heraus nicht so verstanden, wie du sie erklärt hast. Mir fiel eben der Fehler auf und aus solchen Details charakterisiert sich für mich die Sprecherfigur: So könnte der Fehler ein Hinweis auf junges Alter sein oder einen niedrigen Bildungsstand oder einen saloppen Umgang mit Sprache. Letzterer hebelt sich für mich aber dadurch aus, dass du als Autor wiederum sehr viel Wert auf sprachliche Feinheiten zu legen scheinst (siehe Zitate weiter unten), das heißt für mich als Röstteufel dann im Umkehrschluss, dass der Text an Stimmigkeit verliert, weil es keinen ersichtlichen Sinn hinter der Wortwahl zu geben scheint. Unabhängig davon, was intendiert worden ist.

Was erkennbar wäre, wären Eigenheiten im Sprachgebrauch (die "weil"-Konstruktion ist so eine) oder der Fokus des Erzählers auf das Erzählte: der kann sich z.B. in der Pointe als falsch oder verdreht erweisen. Hmmm, ein plakatives Beispiel wäre: ein Mann stalkt eine Frau. Der Text erzählt aber erst einmal glaubhaft von einer romantischen Verbindung zwischen ihm und ihr, er tut alles, um sie für sich zu gewinnen ("fachgerecht" ;)), sie nähern sich einander an, das führt zu Verwicklungen; der Leser fühlt mit ihm mit, hofft und bangt - und erst am Ende stellt sich raus, dass sie sich eigentlich gar nicht kennen.

So ähnlich könnte das, denke ich, auch in deinem Text funktionieren: Wir lernen einen Rosenzüchter kennen, der sich korrekt um seine Rose kümmert, vermeintlich aus Liebe, aber die Liebe wird eben nicht von aufrichtiger Zuneigung und das Kümmern nicht von Altruismus getragen, sondern beides basiert auf Egoismus. "Ich liebe nicht die Rose an sich, sondern ihre Blütenpracht." Oder so ähnlich, du weißt besser, wohin du mit diesem Text willst.
Vielleicht hilft auch ein Kontrast: die eingegangene Rose vs. die blütenreiche Rose vs. die kränkliche Rose vs. die verblühte Rose. So, wie ich deinen Rosenzüchter verstehe, dürfte er nur das eine Stadium der Rose lieben und den Rest verachten. Oder Überspitzung: Es gibt nur eine Art, auf die eine Rose blühen darf - alles, was drunter liegt, zählt nicht. Übertragen auf Kinder denke ich z.B. an die Rede vom "verzogenen" oder "missratenen Kind". *grusel*

Ein paar Hinweise gibt es im Text übrigens schon:
Zitat
Weil sie artig blüht.
Seit wann haben Rosen artig zu sein? In diesem Wort schwingt für mich übrigens der Vergleich zur Kindererziehung am deutlichsten mit.

Zitat
Wie schön.
Das klingt so schwelgerisch unehrlich.

Zitat
Eine Rose zu sein ist nicht einfach, ganz besonders, wenn man so geliebt wird.
Durch die Personifizierung wird die Übertragung auf Menschen klar.
Ich würde für diesen Text übrigens dazu tendieren, "so" aus diesem Satz zu streichen: Eine Rose zu sein, ist nicht einfach, ganz besonders, wenn man geliebt wird. Für mich ist da der wtf-Effekt größer.

Meine Herangehensweise wäre, stärker mit Bildern und einer charakteristischeren Figurensprache zu arbeiten: Jedes Wort, das wir schreiben, zieht im Kopf des Lesers eine kleine Schublade mit Assoziationen auf, die sich mehr und mehr miteinander verbinden und zuletzt eine Aussage ergeben. Hinter jedem Text stecken eigene Gefühle, Gedanken, Erlebnisse, Überzeugungen und Wahrheiten. Darum denke ich, dass wir als Schriftsteller unsere Worte sorgsam wählen sollten, um keine Eindrücke zu erwecken, die wir nicht beabsichtigt haben, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Text am Ende doch wieder unserer Kontrolle entzieht und im Leser auf seine ganz eigene Art zu wirken beginnt.
Auch das ist ein Sinnbild dessen, wovon dein Text handelt: Lieben scheint so leicht und ist doch so schwer. Den Geliebten ihre Freiheit zu lassen, sie loszulassen, kann genauso schwer sein.

Alles Liebe! :)
Lilith

PS.: Aus dem eigentümlichen "weil"-Fehler ist bei mir dann doch (noch?) nichts geworden, weil ( ;) ) die Kausalsätze zu kurz waren, um irgendetwas draus zu machen. So kann's auch laufen. ;D

Uli

  • Gast
Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #10 am: 17 December 2020, 16:17:53 »
Oh ... staun!

Liebe Lilith,
da weiß ich gar nicht, was ich sagen soll - selbst ein großes ˋDanke ´ ist dafür zu klein!

Das wird mich einige Zeit beschäftigen, soviel ist nach dem ersten Lesen schon klar. Whow ...

Uli

  • Gast
Re: Rosenliebe (Genre unklar ... sorry)
« Antwort #11 am: 18 December 2020, 21:34:32 »
erste Schritte ...

ay Lilith,
Deine Anmerkungen zu dem Text kann ich nicht auf einmal beantworten ... aber ich fange mal an:

Also, ja: Du hast vollkommen richtig festgestellt, worum es bei dem Text geht. Für mich lautet das Thema ˋbedingte Liebe ´, in der Kurzfassung. Und du hast mir deutlich gezeigt, warum das so nicht funktioniert, wie ich mir das gedacht habe:
Das, was ich bei diesem normalen Umgang mit Pflanzen sehe, und hier versucht habe zu übertragen, ˋkommt nicht an ´. Hmmm.
(Meine Garten-Kunden würden genau wissen, wovon ich rede, klar. Aber die leben ja schon seit vielen Jahren damit, dass ich mit meinen Pflanzen rede und so ... und kennen das Ergebnis.)
Dazu kommt, dass ich es nicht hinbekommen habe, mit dem ˋTonfall ´ eine Spur zu legen, die deutlich genug ist.
Vielleicht hätte ich das - ohne Rückschluss auf Beziehungen zu Nicht-Rosen - in einem Gartenratgeber unterbringen sollen ... Hmmm ...

Das alles in die von dir angedeutete Stalker-Geschichte zu packen, würde sicher klappen, aber dabei würde mir etwas (für mich) wichtiges Fehlen. Das ˋGanzheitliche ´, könnte man sagen.
(du merkst, ich drehe mich da immer noch ein wenig im Kreis)

Ein Punkt ist (leider), dass die Geschichte mit dem Modelleisenbahner es letztlich nicht trifft: Weil dessen Handlungen in der Tat als ˋseltsam ´ angesehen werden, als Schrulle - während das, worum es mir geht, wohl als ˋnormal ´ gilt. Nicht zuletzt, weil es eben genau so gelehrt wird (sowohl was Rosen als auch was Menschen betrifft ...)

Ich liebe meine Rose nicht, weil sie blüht - sie blüht, weil ich sie liebe ...
(die Vorstellung, dass eine geliebte Rose nicht blühen könnte, ist mir etwas arg fremd ...)
Und ja, ich besitze eine Rosenschere und benutze diese gelegentlich: Wenn ein Zweig geknickt ist beispielsweise, oder wenn der Wuchs zu dicht wird (beides würde unbehandelt zu fatalen Krankheiten führen), und ja, ich freue mich an der Blüte ... auch daran.
Der observierbare Unterschied ist erstmal gering, und ich fürchte, daran krankt der Text primär.

Aber es ist gut, das alles noch mal durchzugehen und nachzudenken.
Danke!

Nachtrag:
Beim weiteren Nachdenken ist mir die Formulierung ˋin die Beziehung investieren ´ untergekommen, und ich habe gleich wieder die Krätze bekommen. Weil das eben gern als ˋLiebe ´ verkauft wird ... gnarf.
« Letzte Änderung: 18 December 2020, 21:48:02 von Uli »