Autor Thema: Aikaria - Kapitel 1  (Gelesen 3622 mal)

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a.schllr

  • Gast
Aikaria - Kapitel 1
« am: 17 March 2020, 14:36:06 »
Hallo zusammen,

ich bin seit ein paar Tagen Mitglied des Forums, und würde auch gerne einen Absatz zum "rösten" einstellen :)
Es handelt sich um den Anfang meines Romans (Teil 1: Aikaria - Die Prophezeiung des Phönix)

Anfänge finde ich besonders schwierig zu schreiben - man muss Spannung aufbauen, auch wenn noch gar nichts wirklich Spannendes passiert, und die Hintergründe noch unbekannt sind.  :lesen1:

Deshalb meine Frage (ganz subjektiv): Wie würdet ihr den Anfang beurteilen (hinsichtlich Spannung, Schreibstil, etc.)? Fällt euch irgendwas auf hinsichtlich Rechtschreibung etc.? Schon mal danke :):


"Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam. Regentropfen peitschen mir ins Gesicht, und mit jeder Sekunde fällt das Atmen schwerer. Ich schnappe nach Luft und schließe die Augen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Umklammere mit meinen verschwitzten Händen panisch die Metallstangen rechts und links von mir.
Höhe – das war schon immer meine größte Schwäche gewesen. Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.
Lächerlich, einfach lächerlich, sage ich zu mir selbst, als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt.
Die Bewegung verlangsamt sich und kommt zum Stehen. Endlich traue ich mich, meine Augen wieder zu öffnen. Der Ausblick ist gigantisch, das kann ich nicht verneinen. Die ganze Stadt ist von hier oben aus zu sehen. Autos sehen aus wie Ameisen, und die brennenden Lichter der Häuser wirken wie Glühwürmchen in der aufkommenden Dunkelheit.
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Bald ist es vorbei.
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich, dass ich trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde."

Uli

  • Gast
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #1 am: 17 March 2020, 20:12:28 »
Ay Anni,

denn fang ich mal an ... Röstgabel entrost, noch mal anspitz ...


Ach so:
Ich gehe mal davon aus, dass du schon weißt, dass Geröstet werden manchmal gar nicht mal einfach ist - trotzdem: Alles nur meine Meinung, nimm, was du brauchen kannst, frage nach, wenn etwas unklar ist und ... Brandsalbe ist irgendwo im Schrank in der Seelsorge. Für alle Fälle ...


Zitat
Teil 1: Aikaria - Die Prophezeiung des Phönix
Der Titel verspricht Fantasy.
Und hat gleich zwei Anklänge an Harry Potter, den Phoenix und die Prophezeiung.
Was Erwartungen weckt ...



Zitat
Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam. Regentropfen peitschen mir ins Gesicht, und mit jeder Sekunde fällt das Atmen schwerer. Ich schnappe nach Luft und schließe die Augen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Umklammere mit meinen verschwitzten Händen panisch die Metallstangen rechts und links von mir.

OK, eine (wie sich später herausstellt, gefakte) Aktion-Situation. Die ersten Sätze gehen durch, dann setzt ein wenig Adjetivitis ein, und übergenaue Beschreibung: Nach ˋumklammern ´ von irgendwas ist an sich klar, dass man dazu die Hände verwendet - die folglich nur erwähnt werden, damit sie verschwitzt sein können. Was sogleich mit dem ˋpanisch ´ in den Schatten gestellt wird.
In Aktion ist das viel zu genau, zu detailliert (immo ...), und das wird durch ˋMetallstangen links und rechts von mir ´ keineswegs besser: In echter Panik umklammert man Haltegriffe, ohne sich dafür zu interessieren, aus welchem Material di bestehen - Hauptsache fest!
Die ˋaufkommende ´ Übelkeit wäre auch zu überdenken - wenn man streng genug wäre.

Zitat
Höhe – das war schon immer meine größte Schwäche gewesen. Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.

ˋwar schon immer gewesen ´ klingt ein wenig nach ˋaber jetzt nicht mehr ´ - und der Satz ist keiner, den man in aufkommender Panik so sagen würde. Grammatik hin oder her, in die Situation passt das nicht. Dass später das Angstgefühl / die Panik nur noch unangenehm ist, nimmt der Szene weitere Dramatik.
Das Bild von dem ˋRaum voller wilder Tiere ´ würde ich zugunsten des Klassikers (Löwen- oder Schlangengrube) ändern. Auch, weil beispielsweise Eichhörnchen nun mal auch wilde Tiere sind. Und ein ˋRaum ´ an sich nicht so Bedrohlichkeit ausstrahlt.


Zitat
Lächerlich, einfach lächerlich, sage ich zu mir selbst, als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt.

OK, ein ˋsich selbst zur Ordnung rufen ´ - was andeutet, dass die Situation doch nicht ganz so dramatisch ist, also, objektiv betrachtet. Trotzdem würde ich die Geschwindigkeit hoch halten, und dafür das ˋtrotz aller Bemühungen ´ streichen.


Zitat
Die Bewegung verlangsamt sich und kommt zum Stehen. Endlich traue ich mich, meine Augen wieder zu öffnen. Der Ausblick ist gigantisch, das kann ich nicht verneinen. Die ganze Stadt ist von hier oben aus zu sehen. Autos sehen aus wie Ameisen, und die brennenden Lichter der Häuser wirken wie Glühwürmchen in der aufkommenden Dunkelheit.

Anfang einer Auflösung, gut.
Einen Nachklang der Panik würde ich mir wünschen, mit dem ˋendlich ´ ist die aber gleich weg - weil das Wort so etwas von ˋist jetzt rum, das Ganze ´ mitbringt. Einfach: ˋIch traue mich, die Augen zu öffnen ´ - ohne das wieder, da ich fest davon ausgehe, dass die Protagonistin das schon einmal getan hat, das Augenöffnen - wäre da nicht so abrupt.
Und: Die Redewendung wäre ˋdas kann ich nicht leugnen ´ - die hat etwas widerwilliges, dass dem ˋkann ich nicht verneinen ´ fehlt.

Zitat
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Bald ist es vorbei.

Schön - jetzt wissen alle, dass dies keine brutale Aktion mit Lord V. war, sondern schlichte Höhenangst auf einer Freizeitpark-Einrichtung.
Zudem wird klar, dass die Aufwärts-Bewegung deutlich schlimmer wirkt, als das statische Oben-Sein, die Abwärtsbewegung zwar wieder heftiger wirkt, aber durch die Hoffnung auf ein Ende der Sache abgemildert wird.
Also keine reine Höhenangst, sondern eben die Panik vor dem nach-oben-bewegen, oder überhaupt bewegt werden mit Höhenunterschieden. OK. Könnte ein Ansatz sein für irgendwas spannendes.


Zitat
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich, dass ich trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde."

Und gleich die Erklärung, warum zur Hölle jemand mit so einer Phobie überhaupt in Erwägung zieht, sich in so eine Gondel zu setzen. Für den Bub ...
Was mir jetzt ankündigt, dass die Protagonistin noch viel schlimmere Ängste hat, und sich diesen stellen wird, für den Bub. Tja. Und eben dieser Bub hat genau keine Ahnung von Mutterns Ängsten, nicht mal von der recht unspektakulären Höhen-Bewegungs-Angst - sieht so aus, als müsste er das demnächst lernen (und nicht eben unter liebevoller Anleitung).

Die Ich-Erzähler-Form finde ich gut, und größtenteils gelungen. Und interessant: Ansonsten wäre der Bub fast zwingend der ... Harry Potter, der Retter von allem, und Mamma würde demnächst abkratzen. Das vermeidet die Ich-Erzählerin, danke dafür!

Tja ...
was noch? Ach ja:
Vielleicht stellst du das nächste Mal etwas mehr ein, denn die Frage, die jetzt so nach und nach beantwortet werden muss, ist: Worum geht das hier?
Bisher habe ich zwar eine gewisse Freude an dem Text, aber noch keinen wirklichen Grund, mich zu interessieren.
Dafür bleiben dir insgesamt ca 10.000 Zeichen, wenn man die Sache mit den ˋ4 Seiten für ein Halleluja ´ genau nimmt.

cheers, Uli

a.schllr

  • Gast
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #2 am: 18 March 2020, 08:21:04 »
Hi Uli,

vielen Dank für die vielen Hinweise!
Da sind einige gute Tipps dabei, die ich mir noch einmal anschauen :)

Du hast völlig Recht, es handelt sich um einen Fantasy-Roman.
Das nächste Mal werde ich eventuell einen größeren Ausschnitt oder ein kleines Exposé hinzufügen, damit ihr auch wisst, was ihr da gerade gelesen habt! :)

Liebe Grüße
Anni

Lilith

  • Gast
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #3 am: 18 March 2020, 13:13:31 »
Hallo Anni :)

Ich finde diesen Text schwer zu rösten, weil er sehr kurz ist und weil in diesen wenigen Absätzen fast nichts für mich ersichtlich wird, außer dass zwei Personen mit einem Riesenrad fahren, eine davon Noah heißt und sich drüber freut, während die andere Angst hat.

Den Ich-Erzähler stelle ich mir weiblich vor und ziemlich jung - zu jung, um die Mutter zu sein, die Uli da rausgelesen hat. ;D Entsprechend habe ich Noah als ihren Freund/Partner gelesen. Warum ich eine Frau gelesen habe, kann ich nicht direkt begründen; vielleicht eine Erwartungshaltung aufgrund des Tons der Erzählstimme? Ein junges Alter schimmert für mich in jedem Fall durch die Zeilen aufgrund der Art, wie die Figur auf ihre Situation/Gefühle reagiert und damit umzugehen versucht:
Zitat
wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.
Lächerlich, einfach lächerlich, sage ich zu mir selbst, als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt.
Sie wertet ihre Angst ab (nennt sie "lächerlich") und würde sie am liebsten ganz weghaben, statt sie z.B. abzudämpfen oder sich "nur" nicht erbrechen zu wollen oder (für Noah) nicht sichtbar zu machen. In dieser Stresssituation fehlen ihr andere Strategien, um Situation und Gefühl zu ertragen. Ich glaube, ein anderer Grund, warum ich sie jung gelesen habe, liegt in der Angst selbst: Im Grunde ist das eines der ersten Gefühle, mit denen man sich in früher Kindheit und darüber hinaus auseinandersetzen muss, weil es eben das menschliche Urgefühl ist. Und dass das deiner Protagonistin (?) nicht so recht gelingt, spricht für mich dafür, dass sie daran rein entwicklungstechnisch noch zu knabbern hat.
Wie jung lese ich sie? Sechzehn, siebzehn, nicht älter als zwanzig jedenfalls. :)

Der Grund ihrer Angst bleibt für mich recht nebulös: Einerseits scheint die Angst stark zu sein (alle Symptome voll ausgeprägt, dazu "Panik"), andererseits nicht stark genug, um erst gar nicht ins Riesenrad zu steigen. Ich erfahre zwar, dass sie sich für Noah jederzeit wieder überwinden würde, aber nicht, warum. Die Frage nach dem Warum ist für mich beim Lesen auch die zentralste, die sich mir stellt, und die in diesem Ausschnitt nicht beantwortet wird.
Warum hat sie Angst? Wovor wird deutlich. Warum ist sie ins Riesenrad gestiegen? Warum ist ihr Noahs Begeisterung so wichtig, dass sie sich für ihn ihrer Angst stellt? Warum ist sie, wo sie ist? Warum erzählt die Autorin mir das? Warum steht dieser Moment am Anfang des Romans? Usw. usf.

Du hast recht: Anfänge sind verdammt schwierig zu schreiben. Man muss seine Hauptfiguren etablieren, den zentralen Konflikt andeuten (ohne dass es für den Leser ersichtlich sein muss), das Setting einführen, das Thema der Geschichte einbinden und dann soll's auch noch spannend genug sein, damit der Leser das Buch nicht sofort wieder in die Ecke pfeffert. Oder im Laden wieder zurück ins Regal stellt.
Dramaturgisch gesehen befinden wir uns im ersten Akt, sprich: Exposition, wir lernen das Leben der Figur vor dem Einbruch der Ereignisse, die die Handlung anstoßen, kennen.

Mir fehlen in diesem kurzen Ausschnitt sehr, sehr viele Informationen, um ihn einigermaßen einordnen zu können. Als Rösterin würde ich gerne mehr lesen, um mir einen Reim auf alles machen zu können, als normale Leserin wäre ich eher irritiert, weil in mehrfacher Hinsicht mit meinen Annahmen und Erwartungen gespielt wird, aber ohne mir handfeste Antworten zu liefern (oder zumindest Andeutungen, aus denen ich mir etwas zusammenreimen kann). Der Konflikt in diesem Augenblick besteht zwischen der Protagonistin und ihrer Angst, dem Aufsteigen des Riesenrads und ihrer instinktiven Reaktion darauf. Das ist gewissermaßen eine Alltagsangst, eine, die mir zwar sagt, dass die Figur eine entsprechende Phobie hat, aber nichts darüber hinaus. Im Zusammenhang mit Fantasy fällt es mir schwer, einzuordnen, worauf das Ganze ungefähr hinauslaufen soll und worum es geht. Ist Angst (und deren Überwindung) dein zentrales Thema? Inwiefern spiegelt sich das in dieser Situation? Die Figur meistert ihre selbstgestellte Aufgabe ja, sogar ziemlich gut, sprich: sie löst ihren Konflikt. Sogar so gut, dass sie sich ihm jederzeit wieder aussetzen würde.
Mal als Gegenbeispiel, damit deutlicher wird, warum ich damit Probleme habe: Ich habe eine ziemlich ausgesprägte Spinnenphobie. Was sagt dir das über mich? Was würdest du erwarten, wenn die erste Szene eines Romans mich mit meiner Angst vor einer Spinne zeigt, die ich für jemand anderen überwinde? Es sagt dir: Ich habe eine Spinnenphobie und die andere Person ist mir wichtig genug, um dieses Opfer für sie zu bringen. Das ist ein Einstieg auf der Beziehungsebene, also würde ich in irgendeiner Form erwarten, dass es im weiteren Verlauf auch zentral um diese Beziehung geht, aber ob Spinnen damit zu tun haben? Ich weiß nicht, wahrscheinlich würde ich einen anderen Einstieg wählen, um so eine Figur einzuführen.
Versteh mich nicht falsch: Ich will dir nicht sagen, diese Szene sei als Einstiegsszene falsch. Warum du sie gewählt hast, weißt du selbst gut genug. :) Ich würde mir als Leserin nur wünschen, dass ich auch in diesen wenigen Zeilen schon etwas mehr an die Hand bekäme, warum du sie für die Geschichte essenziell genug fandest, um sie mir als erste Szene zu präsentieren. Und: was auf dem Spiel steht. Spontan würde ich vermuten: die Beziehung zu Noah, aber das ist (noch?) nicht wirklich der Fall, eben weil die Figur den Konflikt lösen kann.
Daraus resultiert auch, dass ich mir schwer vorstellen kann, wie es danach weitergehen soll. Abgesehen von dem, was zwangsläufig passieren müsste, weil es zu solchen Situation dazugehört - dass die beiden wieder aussteigen und irgendwann nach Hause gehen werden. Alltag eben.

Ich mach mich mal Wort für Wort an den Text:
Zitat
Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam.
Das ist eine dramatische Ankündigung ("unaufhaltsam", sprich: die Figur kann sich nicht wehren, würde es aber gern), erzeugt aber kein Bild, weil ich nicht weiß, womit und wie es aufwärts geht, wo ich bin, bei wem ich bin. Die Erzählperspektive ist in diesen beiden Sätzen auch noch nicht ganz klar (allgemeine Anmerkung, nicht zwingend Kritik).

Zitat
Regentropfen peitschen mir ins Gesicht, und mit jeder Sekunde fällt das Atmen schwerer.
Es geht dramatisch weiter: "Regentropfen peitschen", äußerst unangenehm, gewaltsam. Selbst die Luft zum Atmen bleibt weg, meine erste Assoziation ist große körperliche Anstrengung (Bergsteigen? Aber warum kann sie sich dagegen nicht wehren? Rätselhaft.). Auch das ist dramatisch: Schließlich braucht sie diese Luft zum Überleben.
"mir" - also ein Ich-Erzähler.

Zitat
Ich schnappe nach Luft und schließe die Augen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken.
Eindruck revidiert: Sie bekommt doch noch Luft, aber ihr ist schlecht. Die äußere Situation kann nicht so schlimm sein, wenn sie noch Zeit und Möglichkeit hat, die Augen zu schließen, um gegen Übelkeit anzukämpfen. Warum will die Figur ihre Übelkeit unterdrücken? Wovor hat sie Angst/wofür schämt sie sich? Wo wäre es gerade besonders ungünstig, sich zu erbrechen?
Es ist übrigens immer noch kein Bild entstanden.

Zitat
Umklammere mit meinen verschwitzten Händen panisch die Metallstangen rechts und links von mir.
Ist sie gefangen? Sie kann sich also festhalten, nur wo?

Zitat
Höhe – das war schon immer meine größte Schwäche gewesen. Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.
Also: Sie würde sich einer noch größeren Gefahr (Leib und Leben) aussetzen, um ihre Angst loszuwerden? Warum ist die Angst vor der Höhe so schlimm? Das finde ich tatsächlich etwas seltsam, denn aus meinen Erinnerungen heraus, als ich (als Kind) Angst vor Höhe hatte (heute nicht mehr), hatte es immer was damit zu tun, runterzufallen und dann zu sterben, insofern irritiert es mich, dass diese Figur behauptet, sie würde quasi ihr Leben dafür geben, um keine Höhenangst mehr zu haben.
Das spricht für eine massive Kontrolle bzw. ein starkes Kontrollbedürfnis über die Situation, mehr danach, als sei die Angst vor der Angst schlimmer als die Angst vor Höhe selbst. Warum? Warum findest sie das so unaushaltbar, während sie es doch eigentlich ganz gut aushält? Warum ist es so schlimm, dass sie sich diese Schwäche nicht zugestehen kann, so wie jeder Mensch Schwächen hat? Deshalb wirkt sie auf mich jung, weil sie so wenig mit sich selbst im Reinen zu sein scheint, noch Schwierigkeiten hat, sich selbst anzunehmen, wie sie ist.

Die Formulierungen
Zitat
Ich schnappe nach Luft und schließe die Augen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Umklammere mit meinen verschwitzten Händen panisch die Metallstangen rechts und links von mir.
erzeugen übrigens eine sehr große Distanz zur Figur. Wäre es keine Ich-Erzählerin würde ich wahrscheinlich "Show don't tell" schreien, aber durch die Wahl von Perspektive und Tempus (Präsens), kommt es mehr so rüber, als sei die Figur selbst so.
Warum ist es distanziert? "Um zu" drückt eine zielgerichtete Handlung aus; um unter starker Emotionalisierung zielgerichtet zu handelt, muss man sich von seinen Gefühlen gut distanzieren können. Sie ringt nicht um Kontrolle, sie weiß schon, wie sie Kontrolle erlangt. Um ausdrücken zu können, dass man "verschwitzte Hände" hat, muss man das schon vorher wahrgenommen haben, wieder etwas, das bei großer Angst (bzw. starken Gefühlen allgemein) sehr schwer fällt, weil die Wahrnehmung sich einengt. Dadurch wird das Gefühl der Panik abgeschwächt und wirkt mehr wie eine Übertreibung, denn wie ein treffender Ausdruck für das, was sie gerade fühlt. Genauso wie die explizite Verortung "rechts und links von mir" für eine gute Orientierung im Raum spricht, also das, was einem bewusst flöten geht, wenn man große Angst hat (und mehr reagiert, als agiert).
Weil ich vermute, dass du genau das aber nicht ausdrücken willst, sondern verdeutlichen möchtest, wie stark die Figur unter der Angst leidet, schreie ich doch wieder: "Show don't tell". Soll heißen: Aktuell ist die Panik nur behauptet, dadurch wirkt sie wenig glaubhaft. Die Panik zu zeigen, würde ungefähr so aussehen: "Ich schnappe nach Luft, Augen zu. Geht die Übelkeit noch weg? Ich klammere mich an die Stangen. Glitschig, die Hände rutschen ab. Kein Halt. Wie lange geht das noch?" Das ist die sehr dramatische Nahaufnahme mit der Lupe, um die Wahrnehmung der Protagonistin zu zeigen, ähnlich wie du eingestiegen bist. :)

Zitat
Lächerlich, einfach lächerlich, sage ich zu mir selbst, als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt.
Sie beschimpft sich selbst (die explizite Erwähnung ihrer Innen-/Gedankenrede kannst du in der Ich-Perspektive eigentlich immer weglassen. Denn wem soll der Erzähler das sonst sagen, außer sich selbst, wenn er niemanden anspricht? :)).
"Als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt" ist wieder sehr fern und dazu noch widersprüchlich: Ihr ist schon vorher schlecht geworden, ist das nicht auch ein Zeichen dafür, dass der Magen rebelliert? Also: Wie fühlt es sich jetzt für sie an, dass der Magen rebelliert? Steigt ihr Magensäure in den Hals? Galle? Muss sie ihr Mittagessen wieder runterschlucken? Dreht sich der Magen sprichwörtlich um?
Und: Ich habe immer noch kein Bild von der Situation (Metallstangen und Regen sind die einzigen Hinweise aufs Außen). Dafür recht bunte Beschreibungen des Innenlebens der Figur, das ich aber immer noch nicht ganz nachvollziehen kann, weil mir Grund und Hintergrund und sogar der konkrete Auslöser für die Angstgefühle fehlen.
(Ich weiß nur, dass sie meint, Angst vor der Höhe zu haben.)

Zitat
Die Bewegung verlangsamt sich und kommt zum Stehen.
Bezugs-/Logikfehler: Eine Bewegung kann nicht zum Stehen kommen. Stillstand ist das Gegenteil von Bewegung. Warum enthältst du (als Autorin) mir eigentlich immer noch die Information vor, dass sie sich auf einem Riesenrad befindet? Was ist der erzählerische Sinn dieses Versteckspiels?

Zitat
Endlich traue ich mich, meine Augen wieder zu öffnen.
Wovor hatte sie denn Angst, die Augen zu öffnen? Also, was fürchtete sie zu sehen? Das weiß ich leider nicht, denn: Vorher hat sie mir erzählt, sie schließe sie wegen der Übelkeit, nicht um einen Anblick nicht ertragen zu müssen.

Zitat
Der Ausblick ist gigantisch, das kann ich nicht verneinen.
Eher: "Das kann ich nicht leugnen", denn wie man einen gigantischen Ausblick verneinen kann, erschließt sich mir auch nicht.
Allgemein: Das Gefühl ändert sich jetzt von Angst zu Bewunderung. Also die Höhe an sich bereitet ihr keine Probleme, nur der Aufstieg. Warum? Ein Bild entsteht immer noch nicht, weil ich nicht weiß, von wo sie worauf hinunterblickt.

Zitat
Die ganze Stadt ist von hier oben aus zu sehen.
Welche Stadt? :) Ist sie eher groß? Klein? Was genau sieht sie alles? Nur die Stadt oder sogar ihre Ausläufer? Diese Stelle wäre übrigens praktisch, um das Setting allgemein besser zu verorten: Wenn die Stadt z.B. Wien heißt, dann würde ich assoziieren, dass sie hier auf dem Prater sind. Ansonsten könnte es auch ein x-beliebiger Jahrmarkt oder Freizeitpark sein, in einer kleineren oder größeren Stadt.
Beispiele: Wenn man im Bettenhaus der Kölner Uniklinik ins 18. Stockwerk steigt und aus dem Fenster blickt, kriegt man einen schönen Überblick über Köln-Lindenthal. Wenn man aufs KölnTriangle geht (das ist eine Aussichtsplattform), kann man bei gutem Wetter in der Ferne sogar Schloss Drachenburg im vierzig Kilometer entfernten Königswinter erahnen. Der Blick von der Siegessäule in Berlin sieht wieder ganz anders aus usw.
Von daher: Was sieht sie alles, gerade bei starkem Regen, der ihre Sicht zusätzlich einschränken sollte? Außer eben:
Zitat
Autos sehen aus wie Ameisen, und die brennenden Lichter der Häuser wirken wie Glühwürmchen in der aufkommenden Dunkelheit.
Das sagt erst mal nur aus, dass es in der Stadt Straßen gibt, auf denen Autos fahren (Einordnung in Raum und Zeit: moderne Welt, wahrscheinlich unsere, Jetztzeit), und Häuser, in denen Lichter brennen, wie in jeder Stadt.
Schön finde ich die Formulierung mit den Glühwürmchen, weil es dir erste ist, die weniger floskelhaft/abgenutzt wirkt. :)
"aufkommende Dunkelheit": Es ist also noch nicht ganz Nacht? Später Nachmittag, früher Abend? Welche Jahreszeit haben wir? "Regen" lässt mich jetzt spontan Herbst vermuten (Herbstjahrmarkt mit Riesenradattraktion?). Das ist übrigens die erste Stelle, an der ansatzweise ein Bild entsteht. Ansatzweise deshalb, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht weiß, wo sich die Protagonistin befindet.
Zitat
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Riesenrad, okay, jetzt erst kann ich die ganze Situation einigermaßen einordnen und anfangen, echte Empathie für die Figur zu entwickeln.
Stilfrage: Staut sich Panik im Inneren nicht weniger an, als dass sie mit einem davongaloppiert? Ich meine, dazu ist Panik doch die Steigerung von Angst, weil sie eben nicht mehr beherrschbar ist. So klingt die Figur aber wieder beherrscht. Und: Es ist offensichtlich die Bewegung selbst, die sie in so große Angst versetzt, nicht die Höhe selbst, denn selbst die Abwärtsbewegung lässt sie in ihr aufsteigen, wieder ohne konkrete Begründung, was ihr daran so große Angst macht. Was befürchtet sie? Wenn man Angst hat, hat man ja in der Regel irgendwelche Horrorbilder vor Augen. Wie sehen ihre aus?

Zitat
Bald ist es vorbei.
Selbstberuhigung. Also kann es mit der Panik auch wieder nicht so weit her sein, hm.

Zitat
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich,
Komma nach "schaue", weil du einen temporalen Nebensatz abschließt.
Allgemein hilft der Merksatz: Wenn zwei Verben aufeinandertreffen, setzt man immer ein Komma. :)
Noah habe ich übrigens als Freund interpretiert, weil die Erzählerfigur zu ihm aufschaut. Wäre er ihr Sohn, würde sie wohl eher zu ihm runterblicken müssen. Und eine Elternfigur würde sie kaum mit Vornamen ansprechen, wenn die Beziehung gut genug ist, um für die andere Person in ein beängstigendes Riesenrad zu steigen. Auf mich wirkt die Verbindung zwischen beiden dadurch sehr eng, so komme ich auf den Partner.
Noah liebt also Fahrten mit dem Riesenrad. Denkt sie daran, was ihm daran so viel Freude bereitet? Weiß sie davon? Versucht sie, sich mit ihrer Empathie für ihn abzulenken/zu beruhigen? Sind nur Vorschläge.

Zitat
dass ich trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde.
Und hier würde mich wieder ein Warum interessieren. Weiß Noah von ihrer Angst? Hat er sie überredet? Warum steigt sie für ihn mit ein? Geht es um das gemeinsame Erleben, muss sie für ihn da sein, als eine Art Aufsichsperson? Wie gesagt, mehr Kontext würde es mir deutlich leichter machen, mich im ganzen Szenario zu orientieren.
Damit, dem Leser diese Rahmenbedingungen nicht vorzuenthalten, verliert man in der Regel auch keine Spannung, im Gegenteil, dadurch baut sie sich erst auf, weil man sich so besser in die Lage der Figur versetzen kann. Vorenthaltung von Informationen kann Spannung erzeugen, weil man dann weiterliest, um die Antwort auf eine bestimmte Frage zu erfahren (im Krimi z.B. häufig genutzt: Wer ist der Mörder?), aber dazu muss einem ein Grund gegeben werden. Wenn sämtliche Informationen für lange Zeit fehlen, erzeugt das hauptsächlich Verwirrung der unangenehmen Art.

So, ich hoffe, das war jetzt nicht zu heftig für den Einstieg. ;D Wenn du Fragen hast, etwas unverständlich war, stell sie ruhig.
Und: So habe ich den Text gelesen, anderen mag es anders dabei ergehen.

Liebe Grüße!
Lilith

Edit: Corrected minor typos.
« Letzte Änderung: 18 March 2020, 13:25:14 von Lilith »

a.schllr

  • Gast
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #4 am: 18 March 2020, 14:32:26 »
Hi Lilith,

vielen Dank für die Anmerkungen!

Merkzettel an mich -> größeren Textabschnitt wählen  ;D habe ich mir notiert fürs nächste Mal!

Ich werde das Feedback mal durchkauen und gegebenenfalls anpassen :)

Zu hart war es nicht, ich schätze ehrliche Meinungen :)

Bei Fragen komme ich auf dich zu!

Grüße
Anni

Offline Ayira

  • Röstdämon
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  • Beiträge: 344
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #5 am: 27 March 2020, 12:24:51 »
Hallo Anni,

die kurze Textlänge wurde ja schon bekrittelt, aber ich hab noch ein paar Grundlegende Hinweise für dich:

Zitat
"Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam. Regentropfen peitschen mir ins Gesicht, und mit jeder Sekunde fällt das Atmen schwerer. Ich schnappe nach Luft und schließe die Augen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Umklammere mit meinen verschwitzten Händen panisch die Metallstangen rechts und links von mir.
Höhe – das war schon immer meine größte Schwäche gewesen. Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.
Lächerlich, einfach lächerlich, sage ich zu mir selbst, als mein Magen trotz aller Bemühungen zu rebellieren beginnt.
Die Bewegung verlangsamt sich und kommt zum Stehen. Endlich traue ich mich, meine Augen wieder zu öffnen. Der Ausblick ist gigantisch, das kann ich nicht verneinen. Die ganze Stadt ist von hier oben aus zu sehen. Autos sehen aus wie Ameisen, und die brennenden Lichter der Häuser wirken wie Glühwürmchen in der aufkommenden Dunkelheit.
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Bald ist es vorbei.
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich, dass ich trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde."

1) Dass sie in einem Riesenrad sitzt, stellt sich relativ spät heraus. Was ich mich frage: Wer setzt sich "bei peitschendem Regen" in ein Riesenrad?

2) die Hilflosigkeit würde ich streichen; klingt so nachgesetzt.

3) Sie öffnet plötzlich Augen, die mir vorher nicht als geschlossen gezeigt worden sind ...

4) Ich bin schon ewig in keinem Riesenrad mehr gesessen, aber es muss ein verdammt hohes sein, wenn Autos zu Ameisengröße schrumpfen? Ameisen sind wirklich winzigst ... und Glühwürmchen auch. Die Vergleiche lesen sich gut, keine Frage, aber ist es bewusst von dir, dass dieses Riesenrad mind. die Höhe vom Burj Kalifa erreichen muss?

Eindruck: Noah ist für ein kleines Kind. Und als Mutter hat sie sich diese Fahrt angetan. Wobei, Höhenangst hin oder her, dieser peitschende Regen ... Ich würde da mindestens nur einen plötzlichen Nieselregen aufkommen lassen. Ich würde da trotz aller Liebe  nicht auch noch bei Sauwetter einsteigen ...
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Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #6 am: 04 April 2020, 11:19:59 »
Hallo Ayira,

zu 3) Doch, im zweiten Satz schließt der/die Ich-Erzähler/in die Augen. :)
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Offline Tika

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Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #7 am: 18 July 2020, 12:45:49 »
Hallo Anni,

es wurde ja schon einiges zu deinem, zugegebenermaßen kurzen, Schnipsel geschrieben. Hm ich habe da noch eine ganz andere Anmerkung.
Du sagst, dies sei der Anfang deiner Geschichte und du müsstest ja gleich zu diesem Zeitpunkt Spannung aufbauen.
Nope - ich widerspreche heftigst. Bevor ich mit einer Figur mitfühlen kann, muss ich sie erstmal kennen, ansonsten lässt mich ihr Schicksal völlig kalt. Nicht umsonst beginnen beinahe alle Spielfilme mit einer kurzen Einführung. Sie gewähren einen Blick in die Normalität der Figur, damit man kurz darauf merkt, dass was nicht stimmt, wenn die Normalität der Figur auf den Kopf gestellt wird.
Das bedeutet, zeige zuerst was normal ist und dann nimm deiner Figur diese Normalität weg.
Ich empfinde gerade Aktion gleich zu beginn, auch wenn sie nur die Ängste der Figur zeigen soll, als verzweifelten Versuch des Autors, den Leser bei der Stange zu halten, obwohl er (der Autor) bisher noch nichts wirklich dramatisches zu sagen hat.
Beginne langsamer und setzte hier und da einen kleinen Hook, der den Leser stutzen lässt.

Wie immer, nur meine Meinung ;-)

Glg
Tika
  • Ich schreibe gerade: Nix - weil ich mich noch nicht entscheiden kann...
Wenn ich mich kurz fassen könnte, würde ich keine Romane schreiben.

Wave

  • Gast
Re: Aikaria - Kapitel 1
« Antwort #8 am: 01 September 2020, 15:59:19 »
(So, und da ich einmal dabei bin, hier die längst überfällige Röstung, die ich noch vor meiner erneuten Anmeldung gechrieben hatte, die aber dann aus den verschiedensten Gründen erstmal liegenbleiben musste. Also nicht wundern, liebe Federfeuer: Wenn ich sage, ich habe eine Röstung geschrieben, dann habe ich eine Röstung geschrieben, auch, wenn es noch Millionen Jahre dauert, bis ich sie dann auch mal einstelle (*nicht hauen bitte*) :versteck: .


Hi, Anni, :wink:


ich grüße Dich erstmal, ich bin nach einer längeren Zeit wieder hier im Forum und wir hatten uns ja noch nicht kennengelernt.

Dann lege ich mal gleich los:

Zum Verständnis im späteren Verlauf der Röstung

Das "Ich" wirkt auf mich weiblich und Noah wirkt auf mich, als sei er entweder ihr Partner oder aber zumindest ein sehr guter Freund.

Zum Aspekt Spannung

Spannung gleich am Anfang aufbauen ... ist sicher eine Herausforderung. Ich sehe das ähnlich wie Tika, dass dies nicht über einen noch anonymen Protagonisten funktionieren kann, den ich gerade das allererste Mal in irgendeiner Form wahrnehme und schon mal gar nicht irgendeinen gefühlsmäßigen Bezug aufbauen konnte. Über einen anonymen Prota funktioniert das also nicht - da muss ich etwas zu Hilfe nehmen.
Ich bin allerdings der Ansicht, dass man grundsätzlich durchaus Spannung direkt am Anfang aufbauen kann, z. B. durch ungewöhnliche Situationen, Szenen, die durchaus auch völlig protagonistenlos auskommen und eine Atmosphäre von Spannung aufbauen können.
Wenn es also am Anfang noch gar keine gemeinsame Ebene auf Basis eines individuellen Spannungskonfliktes des Protagonisten zwischen Leser und einem anonymen Protagonisten geben kann (da dieses Individuum noch nicht kennengelernt wurde, kein Bezug aufgebaut etc.), dann muss eben eine gemeinsame Ebene der Spannung zwischen Leser und einem übergeordneten Spannungsverhältnis gebildet werden, das zwar geichwohl Protagonist und Leser umfasst, aber die Spannung nicht vom Protagonisten abhängig macht.
Ein Beispiel, dass mich nach dem ersten Satz sofort weiterlesen ließe (da ich nunmal im Allgemeinen und so nicht anders angekündigt, davon ausgehe, dass ich von ener ganz gewöhnlichen Alltagswelt lese):

"Die Uhren liefen rückwärts.
In der Küche.
Im Wohnzimmer.
Im Schlafzimmer."

Wenn dann so allmählich zum Protagonisten, der dies erlebt, hingeschwenkt wird, dann kennen wir uns zwar noch nicht, aber wir werden durch eine äußerst spannende Gemeinsamkeit in gewisser Hinsicht geeint: Wir verstehen die Welt nicht mehr. Wir haben beide ein gemeinsames Thema, das uns gleichermaßen interessiert.

Und natürlich sind die Worte, ist die Situation austauschbar. Es geht nicht um rückwärtslaufende Uhren; es geht darum, den Leser sozusagen hinterrücks mit dem Prota zu verbinden: Denn jetzt denke ich schonmal: "Los, Prota, lauf. Ich will noch mehr sehen! Ich will wissen, was da los ist! Mach was!" Und ich denke, das ist doch eine ganz gute Gelegenheit, den Protagonisten, bei dem, was er denn dann macht, näher kennenzulernen ...

Aber hier geht es ja direkt am Anfang um ein anonymes Individuum ohne Namen mit einem zwar belastenden, aber durchaus nicht außergewöhnlichem Problem.
Die Angst als allgemeinmenschlich Bekanntes könnte evtl. einen gewissen Spannungseffekt enthalten, wenn dabei nicht so sehr auf dem Protagonisten-Individuum mit seinen Körper-Angst-Symptomen "herumgeklopft" würde.
Wenn überhaupt, dann würde ich versuchen, die Angst als übergeordnetes Spannungselement aufzubauen und das heißt: Fokus der Protagonistin nach außen, nicht nach innen (wie nehme ich meine Angst wahr?). Denn Angst kenne ich, die Protagonistin noch nicht.

Einen guten Ansatz hast Du da schon:
Zitat
Es geht aufwärts. Langsam, unaufhaltsam.

Auf mich wirkt das wie ein - interessanter - scheinbarer Widerspruch: Die Formulierung "Es geht aufwärts." kenne ich i. A. für etwas Positives. Da dieses scheinbar Positive hier aber gleich abgeschwächt wird durch einen auf mich in dieser Gegenüberstellung eher beklemmend wirkenden Nachsatz, entsteht ein Spannungsfeld.
Natürlich könnte es grundsätzlich auch positiv gemeint sein, im Sinne von: Aaah, allmählich tut sich was Positives, es geht zwar langsam, aber dafür stetig aufwärts ... aber hierbei würde ich eher eine Formulierung wie "Es geht aufwärts. Langsam, aber unaufhaltsam." erwarten.
In diesem Text aber fungieren die beiden Begriffe nicht als Gegensatzpaar, sondern sie arbeiten sozusagen im Verbund miteinander. Wie erwähnt, auf mich wirkt das beklemmend. Und ich werde nicht enttäuscht, denn mein gefühlsmäßiger Eindruck wird ja im weiteren Verlauf des Textes bestätigt.
So weit, so gut.
Aber dann wird der Fokus vom Allgemein-Bedrohlichen sehr schnell auf die Protagonistin und ihre individuelle Angst gerichtet, es werden körperliche Symptome aufgezählt und hie und da ein kommentierender Gedanke zu ihrer Angst.

M. E. wäre es wichtig zu wissen, wie stark die Angst tatsächlich ist.
Du schreibst:
Zitat
Ich würde ohne Zögern in einen Raum voller wilder Tiere springen, wenn dafür dieses unangenehme Gefühl der Angst verschwände, der Hilflosigkeit.

Lilith hat ja schon was dazu geschrieben. Und auch ich kann diesen Satz im Sinne dessen, dass sie lieber zerfleischt werden würde als diese Art der Höhenangst zu erleben, nicht Ernst nehmen.

Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass dieser Vergleich nicht vom Verstand gesprochen, sondern gleichfalls von der Angst diktiert wird. Also, ich würde sagen, dass wir durchaus ab und an sagen: Ich würde lieber das und das (Angstbesetzte) erleben als das und das (Angstbesetzte) ,,, vielleicht deswegen, weil irgendwo im Hintergrund von Herz und Hirn, für uns praktischerweise nicht so ganz greifbar, herumschwirrt, dass die schliiiimme Angstsituation, die wir da als Vergleich heranziehen, vermutlich niemals eintreten wird ... Aber ob Du das so gemeint hast, was ich mir hier so ausdenke ...? ;D

Nehme ich den Satz "Ich würde ohne zu zögern in .... springen." also in Bezug auf die Intensität der Angst sehr ernst, müsste die Angst extrem stark sein und je stärker die Angst, desto (soweit ich informiert bin, und nach meinen eigenen Erfahrungen und denen anderer) weniger Wahrnehmung eigener Reaktionen darauf, aber desto größer die Wahrnehmung dessen, WAS ANGST MACHT! Das ist ja das Eigenartige: In extremen Angstsituationen ist eine sehr häufig Variante, dass wir starren auf das, was Angst macht (Aaaachtung: Wir starren nicht nur mit den Augen ... es sind ja nicht die Augen, es ist ja nicht der Blick, es ist das gesamte Wahrnehmungspektrum extrem verengt und verdichtet auf einen einzigen Fokus. Deswegen auch ist es schwierig, einzelne Aspekte davon herauszulösen, um so Spannung aufzubauen). Wir lassen es nicht los, kleben mit unserer Wahrnehmung an dem, was Angst macht, nicht an unseren Reaktionen auf unsere Angst. Die mögen wir vielleicht noch als eine Art Hintergrundrauschen wahrnehmen, aber wir sind nicht voll darauf konzentriert. Und mit kommentierendem Denken dazu ist da schonmal gar nichts mehr. Bei entsprechender Stärke der Angst.

Es spielen halt - wie so häufig - ganz viele Parameter eine Rolle; Angstreaktionen haben eine enorme Bandbreite ... aber es geht ja um einen Spannungseffekt und nicht um eine Doktorarbeit, also sollten m. E. die eher bekannten Angstreaktionen ausreichen.
Es heißt ja nicht umsonst: Wie gelähmt vor Angst. Er-starren oder - Flucht. Aber wohin und wie soll sie in der Situation flüchten?

Also, was macht hier Angst? Und wie verbinde ich das mit einer Spannung für den Leser?
Das wäre z. B. das Hochfahren, das laaangsame Hochfahren, fahren Riesenräder nicht seeeehr laaangsam? Vor allem, wenn man Angst hat, dann fahren sie noch langsamer, die unsicher breit wackelnde Gondel, das kleine und immer dicher werdende gondelnde Gefängnis in all der haltlosen Luft in allen Richtungen, Ausstieg unmöglich, Weglaufen unmöglich: Ausgeliefert.

Bitte, es geht natürlich nicht um wortwörtliche Übernahme: Es geht um Bilder. Und zumindest in diesem Fall würde ich wirklich soweit möglich Gegenständliches nehmen und dann die Angst hineinhalten und damit spielen.
Mir geht es hiermit nur darum, dass Angst auch völlig ohne jede körperliche Reaktion auf diese dargestellt werden kann. Natürlich so, wie Du Dir die Bilder dieser Fahrt rauspicken willst, aber dann fände ich es eben schön, wenn eben wirklich die Innenreaktion über und durch die Außensituation dargestellt bzw. gespiegelt wird.
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Möglicherweise solltest Du die im Text als "Höhenangst" bezeichnete Angst spezifizieren; Uli hat das sehr schön als Höhenbewegungsangst (hin und weg, wobei hin zur Höhe wesentlich schlimmer zu sein scheint)  ausgedrückt. Wenn das zutrifft, dann nehme ich Dir noch ab, dass die Protagonistin, als das Rad still steht, sich umschauen und sogar die Faszination des Anblicks spüren kann.
Hätte sie "nur" eine pure Höhenangst, dann frage ich mich, wieso sie an einer Stelle, an dem die Höhenangst doch auch ihren Höhepunkt haben sollte, nämlich am höchsten Punkt, plötzlich ihre Augen öffnen, sich gründlich umsehen und auch noch Vergleiche finden kann für das, was sie sieht. Anstatt ungewollt panisch in die Tiefe zu gucken und aus der Gondel in Ohnmacht zu fallen.

Wo will die Geschichte hin?

Ich hoffe sehr, dass die Höhenbewegungsangst noch eine Fortsetzung (dann vielleicht in einer fantasyhaften Dimension, schließlich soll es ja eine Fantasygeschichte sein) hat und einen Hintergrund und nicht nur dazu gedacht ist, den Leser in die Geschichte zu ziehen ... um dann mit etwas ganz Anderem weiterzumachen.
Du hast meine Aufmerksamkeit auf ihr Problem gerichtet, also will ich jetzt wissen, wie es mit ihrem Problem weitergeht, denn auf mich wirkt es so, als habe sie ihre Angst zwar punktuell überwunden (entweder diesem Noah zuliebe oder eben Noah als eine Art Energiequelle), aber nicht etwa aufgelöst:

Zitat
Als ich langsam den Kopf hebe und in Noahs strahlendes Gesicht schaue weiß ich, dass ich , trotz meiner Vorfreude auf das baldige Ende dieser Fahrt jederzeit wieder einsteigen würde."

Das zeigt ja, dass die Angst nicht aufgelöst ist, auch dann nicht, wenn sie punktuell als überwunden erscheint. Denn:
Die hier erwähnte Vorfreude bezieht sich auf das baldige Ende dieser Fahrt .
Warum sollte sie sich darauf freuen, wenn die Angst aufgelöst ist? Dann stelle ich mir doch eher einen Jubel über die endlich aufgelöste Angst vor, die zu einer gelösten Stimmung führt, vielleicht mit einer Vorfreude darauf, sogleich die nächste Fahrt anzustreben, weil endlich frisch und frei genießen könnend.
Durch eben eine enorme Energiegewinnung einer nicht nur über-wundenen, sondern auf-GELÖSTEN Angst.
Doch der Grund dafür, dass sie wieder einsteigen würde, ist nicht die aufgelöste Angst, sondern der Blick in Noahs strahlendes Gesicht. Und das hat doch Spannungspotenzial.


Zudem:

Zitat
Das Riesenrad setzt sich wieder in Bewegung, und in meinem Inneren staut sich erneut Panik an. Doch diesmal geht es abwärts.
Bald ist es vorbei.

Es ist also immer noch wichtig, dass es bald vorbei ist, sonst wäre dies nicht erwähnenswert.

Die Kurve der Panik wird beim Abwärtsfahren zwar flacher gezeichnet, aber die grundlegende Panik bleibt anscheinend erhalten - und ich könnte mir vorstellen, dass sie bei passender Gelegeneit wieder aufflammt.
Und das ist gut so, denn es enthält doch einiges an Konfliktpotenzial - vor allem, wenn ich davon ausgehe, dass sie es diesmal geschafft hat, weil Noah dabei war, so eine Art seelische Unterstützung - aber was, wenn sie in eine Situation gerät, neben der die Situation im Riesenrad wie eine Tändelei mit der Angst wirkt, eine Situation, in der sie wieder ihrer Höhenangst ausgesetzt ist, diesmal gänzlich unfreiwillig und die lebensbedrohlich ist - für Noah. Und sie ihn retten muss.
Und sie genau das, was sie retten muss, braucht, um es retten zu können?

Natürlich lassen sich noch andere Szenarien denken, aber ich hoffe zumindest sehr (teuflisch gemein, wie sich das gehört), dass dieses Problem der Protagonistin noch lange nicht vom Tisch ist.
So, ich hoffe, Du kannst das Ein oder Andere gebrauchen, wenn nicht für diese, dann vielleicht für eine andere Geschichte.

Uuuund natürlich kann ich mich vertun, Dinge nicht zu Ende denken usw. usw. Dann hilf Du mir bitte dabei weiter, wenn ich was übersehen haben sollte im Eifer meiner Röstfiebers.

Liebe Grüße  :kaffee2:

Wave