Lieber Zitatus;
ich lese mal so runter und notiere dabei, ich hoffe, das ergibt schon etwas Nützliches.
Unsere Welt war wie ein Haufen alter Bücher. Hoch aufgetürmt berichteten gilbe Seiten von den großen, tragischen Komödien und den kleingeistigen Dramen. Das Schicksal hatte mit spitzer Feder jede einzelne Zeile niedergeschrieben. Das alte Papier, auf dem die Tinte noch nicht ganz trocken war, wartete nur auf ein Zündholz.
Ich hielt es in der Hand.
Schön athmosphärischer Einstieg. Das erste, was mich irritiert, ist das Wort 'kleingeistig' - ich lese den Satz nochmal und stelle fest, den Bruch gibt es verhaltener schon in 'tragische Komödien'. Kritik des Erzählers an misslungenen, den jeweiligen Auftrag verfehlt habenden Werken? Aber dann kommt doch das Schicksal als Autor ins Spiel - schreibt das falsch? Und wieder das Motiv alt (ich assoziiere hier ehrwürdig), kontrastiert mit noch nicht trockener Tinte. Jetzt verstehe ich die Bildersprache gar nicht mehr. Der Erzähler will oder soll den Haufen entzünden. Passt zur Kritik.
„Dunkle Wolken, ein lila Himmel. Die Silhouette der Stadt ist pünktlich dazu bereit im Chaos unterzugehen“, kommentierte er in bester Laune die Szenerie.
Ja, die gute Laune des Raben kommt rüber. Der Erzähler wirkt eher passiv, weder erfreut, noch traurig, noch als würde ihn irgendetwas binden, rein beobachtend.
Die 'Silhouette' würde ich ersetzen: Es macht auf mich den Eindruck, nur die Silhouette werde untergehen - und eine gesichtslose Stadt bleibt übrig? Oder kannst du den starken bildlichen Eindruck der Silhouette vom Rest trennen, zwei Sätze draus machen?
Ich drehte ich mich weg.
Doppel-Ich.

„Eh“, beschwerte sich das Federvieh. Mit flatternden Flügeln hopste er auf mir herum.
das Federvieh - es
das Geländer des Balkons, auf dem wir uns befanden.
Den Nebensatz brauche ich nicht zum Verständnis.
Wider Erwartens
ohne s
Nette kleine Hinweise auf eine nicht-menschliche Lebensform! Sehr gelungen.
„Ob ich die Sache noch schlimmer machen würde, wenn ich dir jetzt den Hals umdrehe?“
Offenbar findet Thad, kein Mensch und Bescheid wissend über bzw. vielleicht verantwortlich für den nahen Untergang, dieses Ende trotzdem schlimm. Oder etwas daran, dass wir noch nicht wissen. Interessant.
schlurfte in Wohnzimmer.
ins
"Hallo Quirinus“, sagte ich, „ich hatte nicht mit Eurem Erscheinen gerechnet.“
Das etwas saloppe Hallo scheint mir nicht zu der Anrede Ihr zu passen.
strich dessen zerknitterten Seiten glatt.
zerknitterte
Es wird mir schade sein um all die Geschichten.
mir?
Quirinus breitete die Arme aus. Es wirkte wie ein Vater,
Er wirkte...
Jede Phantasie, die ein Mädchen haben durfte,
Ich bin irritiert ob der Einschränkung: Sämtliche Tabus jeglicher Gesellschaften sind doch mindestens in Gedanken und Worten irgendwann gebrochen worden. Von Männern und Frauen. und wieso stellst du dem Mann das Mädchen gegenüber, nicht die (erwachsene) Frau?
etwas wirklich neues
Neues
Manchmal habe ich Angst etwas wirklich neues zu erträumen. Es wäre niemals wirklich meins.
Das verstehe ich im Zusammenhang nicht. Gerade etwas wirklich Neues müsste doch dem Erfinder gehören/zugehörig sein.
„Dann solltest du es für dich bewahren.“
Auch diese Antwort scheint mir nicht zu Quirinus zu passen. Er nennt es traurig, dass er alle Geschichten kennt, die es gibt. Und lehnt es ab, eine weitere kennenzulernen? Eine, die ihm -vielleicht- etwas Neues verspricht?
„Na, die paar Minuten hab ich noch.“
Netter Abschluss der Szene, aber: 1. Wieso steht Quirinus unter Zeitdruck? Gibt es Zeit nach Armageddon, außerhalb unserer Welt? Bisher machte es sehr den Eindruck von 'Ewigkeit', was immer du darunter fasst.
2. bezieht sich auf die obige Frage: Wenn er Geschichten schätzt, warum will er nur kurze Minuten darauf verwenden, nicht genüsslich darin schwelgen?
Quirinus schaute demonstrativ auf seine nicht vorhandene Armbanduhr.
bei den Menschen abgeschaut? Warum? Sind die ein nachahmenswertes Modell? Und dabei ist es befriedigend, ihre Welt untergehen zu lassen?
Insgesamt: Mir gefällt diese Version deiner Geschichte; auch wenn ich die erste schon etwas aus den Augen verloren habe, glaube ich, diese ist besser.
Den ersten Absatz lese ich immer noch als kryptisch. Macht aber nichts.
Thaddeus ist interessant: Wider Willen hineingezogen in das Schicksal der Welt, die er ins Chaos stürzen sollte, hadert mit sich, was ihn daran erlösen soll, wissen wir nicht (spannend)...
Der Rabe ist ein netter Kontrapunkt, einer der die Aufregung und die Show genießt, egal, was kommt (ohne moralische Wertung meinerseits).
Quirinus ist durchaus auch bemerkenswert, auch wenn man als Leser noch nicht genug weiß, um ihn zu 'verstehen' im Sinne von Beweggründen: Mächtig, Auftraggeber von Thaddeus, aber mit dem (vorgetäuschten?) Anspruch auf mehr ("wie ein Vater, der seinem Sohn mitteilte, dass dies alles eines Tages ihm gehören würde"), verfolgt einen Plan "alles ja nur deinetwegen", also mit 'gutem' Motiv, hat eine enge Beziehung zu Geschichten (auch eine interessante: weder Leser noch Autor, eher Kenner aller Möglichkeiten).
Und da die beginnende Geschichte ja wohl die ist, die zum Untergang führt, dessen Hintergründe wir also erkennen werden, die Thaddeus als neuartig ansieht und unbedingt erzählenswert auch angesichts der eigenen Vernichtung, reibt sich mein innerer Leser die Hände, richtet sich gemütlich auf dem Sofa ein und sagt: Her damit!

Jut?

eska