Autor Thema: Was lest ihr gerade? (2018)  (Gelesen 18608 mal)

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Lilith

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Was lest ihr gerade? (2018)
« am: 02 February 2018, 10:51:45 »
*entstaub*

Auch wenn der letzte Thread es nicht zu großer Beliebtheit gebracht hat: Lesen schadet nie. ;D
Also, liebe Teufel, was lest ihr gerade, was habt ihr in diesem Jahr schon alles gelesen?

Mein Jahr hat begonnen mit der Lektüre von Kristin-Neffs Selbstmitgefühl, für mich wohl das wichtigste Buch des Jahres, obwohl ich exakt keine guten Erwartungen an es hatte. Es hat mir dann schnell das Gegenteil bewiesen und mich sehr beeindruckt, würde es jedem weiterempfehlen, das Thema kann man eigentlich nicht ernst genug nehmen.

Parallel dazu habe ich meine Nase in Der Prophet, Der Narr und Der Wanderer von Khalil Gibran versenkt - ein Überraschungsfund im Bücherschrank. Von Gibran wollte ich schon länger mehr lesen, seit ich über "Von der Liebe" gestolpert war und damit bot sich die perfekte Gelegenheit. Ich bereue es nicht, im Gegenteil.

Um der Harmonie entgegenzusetzen, gab's zuletzt Drei Meter unter Null von Marina Heib obendrauf. Ein Thriller aus Täterperspektive, für den mir ab der Hälfte eine überraschende Wendung versprochen wurde, die den zähen Einstieg mehr als wett machen würde ... Die ich leider schon lange vorher erraten hatte - überraschend kam für mich da nichts daher und auch wirklich spannender wurde es dadurch für mich nicht. Gut, meine Vermutung war doch krasser als das, was mir die Autorin schließlich als Auflösung bot, die Stoßrichtung blieb jedoch dieselbe. Insgesamt finde ich einige psychologische Schwächen, gerade durch das eher absurde Ende. Dennoch sticht es allein durch die ungewöhnliche Perspektive etwas aus dem Einheitsbrei heraus.

Und ich mache mich dann über An einem Tag im November von Petra Hammesfahr her.

Offline Ayira

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #1 am: 02 February 2018, 12:22:22 »
Ich habe dieses Jahr wieder mit Harry Potter angefangen; stecke derzeit in Band 4. Zwischenzeitlich habe ich es mit Hohlbeins "Der Greif" versucht, bin aber nicht weit gekommen. Es war/ist ein rasanter Einstieg, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, nie genau zu wissen, wovor der Prota eigentlich wegrennt.

Und dann bin kürzlich über ein Buch gestolpert, das "Ich bin Profilerin" heißt. Eine Lebensgeschichte einer 40-jährigen Hausfrau, die durch einen psychopathischen Untermieter ihre Berufung entdeckt hat, sich mit Profiling auseinanderzusetzen.
Sehr gut geschrieben. Ich bin noch immer schockiert. Die ungelösten Fälle, die sie bearbeitet, sind zwar hinsichtlich des Täters "gelöst" - allerdings wurde dieser einerseits nicht von der Exekutive verfolgt, oder von der Legislative angeklagt. Sexualstraftäter und Psychopathen erfreuen sich nach über 20 Jahren noch immer ihrer Freiheit.
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felis

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #2 am: 02 February 2018, 22:08:30 »
Ich lese gerade das mit Abstand beste Buch seit Jahren und die gute Nachricht es hat unfassbare 1600 Seiten. Deshalb bin ich schon seit 4 Wochen dran.
„Infinite Jest“/ Unendlicher Spaß ist ein kurz vor der Jahrtausendwende geschriebener Near Future scifi-Roman, in dem es um die ultimative Unterhatung geht. Der Roman strotzt nur so vor liebevoll ausgemalten Entwicklungen, detailliert, aber keine Sekunde langweilig beschrieben.
Foster Wallace ist m. E.  einfach ein Genie. Wenn ihr glaubt, eine Terrororganisation, die aus Rollstuhlfahrern besteht, sei eine eher absurde Idee, dann müsst ihr unbedingt die Szene lesen, in der F.-W. Beschreibt, mit welcher brutalen Effizienz die afr ( assassins aux fauteuils Rolants) einen Anschlag durchziehen. Danach gruselt ihr euch wochenlang, wenn ihr irgendwo einen Rollstuhlfahrer seht!

Und dann noch diese Sprachgewalt: die deutsche Übersetzung hat völlig zu Recht Preise abgeräumt. Auf Englisch würde ich den Roman vermutlich aufgrund des gewaltigen Wortschatzes gar nicht lesen können.
Und dann sind da auch noch Formulierungen wie Sahnehäubchen auf Bayleysbällchen drin, wenn ihr versteht, was ich meine. :devwink:

Nachdem ich zunächst in eine tiefe Schreibdepression verfallen bin - niemals werde ich SO schreiben können  :flenn: verneige ich mich mittlerweile in Ehrfurcht vor F.-W.s Können, vergebe 6 von 5 Röstgabeln und eine unbedingte Leseempfehlung für diesen Geniestreich von Roman!

Lilith

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #3 am: 02 February 2018, 22:12:40 »
Hach ja, Infinite Jest wollte ich mir auch schon lange gönnen. Danke für die Erinnerung, felis! :cheerful:

Offline eska

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #4 am: 03 February 2018, 00:02:57 »
Zitat
Nachdem ich zunächst in eine tiefe Schreibdepression verfallen bin - niemals werde ich SO schreiben können  :flenn:
Oh ja.
Das geht mir auch manchmal   immer wieder so. Und trotzdem tut es gut, denn wie deprimierend ist es, sich gar nicht mehr ins Lesen versenken zu können, weil man dabei alle vorhandenen Schwächen eines Textes aufdeckt...

Gerade heute abend fertig geworden: 'Augustus' von John Williams, (endlich mal wieder ein echter historischer Roman, nicht dieses flache Genregemantsch aus Abenteuer und Liebe), in Briefform von verschiedensten Erzählern mit schön unterschiedlichen Stimmen. Sehr nachdenkliche Sätze darin. Es macht mir Lust auf 'Stoner' und 'Butcher's Crossing', die schon ca. ein Jahr auf mich warten.

Die Lektüre davor: 'Bühlerhöhe' von Brigitte Glaser. Auch zu empfehlen. Ein interessantes Setting (ein Schwarzwaldhotel, das Adenauer als Gast erwartet, auf den ein Anschlag verübt werden soll, den ausgerechnet eine ex-deutsche Israelin ohne vorherige Geheimdiensterfahrung vereiteln soll), spannende Wendungen, im Gedächtnis bleibende Figuren und ein gelungenes Gemisch aus Introspektive, Erinnerungen und (teilweise rasanter) Handlung.

Kurz zuvor zum Xten Mal wieder gelesen: Kauffahrers Glück/Merchanter's Luck von C.J. Cherryh. Ich hab es nicht so mit SciFi, aber das ist auch nur der Hintergrund für eine tolle Geschichte, vordergründig Beziehung/Liebe, aber in erster Linie Psychologie. Zumindest lese ich es so.

In 'Das Spiel des Engels', Carlos Ruiz Zafon, bin ich steckengeblieben. Wirkt sehr ähnlich wie der erste Roman 'Der Schatten des Windes'. Viel Mystery, viel Zufall...

Ken Folletts dritten Kingsbridge-Roman 'Das Fundament der Ewigkeit' fand ich enttäuschend. Keine der Hauptfiguren irgendwie mitreißend, die Handlung so konstruiert, dass alle großen Eckdaten der Zeit irgendwie vorkommen, ungeachtet jeglicher Wahrscheinlichkeit, alles gerne dramatisch-blutig. Naja. Hat ein paar nette Momente zwischendrin.

'Liverpool Street' von Anne C. Voorhoeve, ein historischer Jugend-Roman über die jüdischen Kindertransporte nach England, hat mich emotional zu sehr mitgenommen zum Fertiglesen (muss an mir gelegen haben), gefiel mir aber sehr gut. Sehr schöne Charakterzeichnung, angenehme Erzählstimme. Schon 'Einundzwanzigster Juli' war eindrucksvoll.

Demnächst mehr. Hoffe ich. :)




  • Ich schreibe gerade: mal wieder kaum. Feinschliff Lethbridge ist dran. Diverses liegt wieder auf Eis.

Rilyn

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #5 am: 03 February 2018, 02:34:16 »
1600 Seiten. :wiejetzt: :hell: :ichich:


Gelesen hab ich dieses Jahr noch nicht viel, jedenfalls nicht auf Papier:

Lauf, Jane, Lauf (Joy Fielding)
Guter Einstieg, aber rasch zu langatmig, stellenweise etwas vorhersehbar, und *hrm* ein paar peinliche Recherchefehlerchen, die der Geschichte als solcher nicht wehtun, aber ohne großen Aufwand vermeidbar gewesen wären. Sie hätten mich geärgert, hätte ich wie noch vor kurzer Zeit nicht Bescheid gewusst und die betreffenden Infos als gut recherchiert angenommen (wenn auch nicht für bare Münze, es ist und bleibt ein Roman), um später anderes herauszufinden.

Dazu ein Kapitel aus Tauchmedizin aktuell (Klingmann / Weidauer), ein paar aus Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe (Haupt / Jochheim / Remschmidt), und die Hälfte von The Gift of Therapy (Irvin D. Yalom).

 :lesles:


Taurussieben

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #6 am: 15 March 2018, 20:18:54 »
Ich habe mich eine ganze Weile in den Schottischen Krimis von M.B. Beaton vergraben, die Hamish Macbeth Reihe (auf englisch aber gelesen). Kurzweiliger Krimispaß im Who-has-dunnit Stil, wenn es auch nicht die Raffinesse einer Christie ist.

Dann scheu ich mich gerade den nächsten Teil des Opus Magnum von Brandon Sanderson anzufangen, Stormlight Archives 3 - Oathbringer, sondern werde wahrscheinlich lieber in Moers Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr versinken, auch wenn die Kritiken dafür eher durchwachsen aussehen  :glotz:

Vielleicht doch lieber wieder Scie-Fi  :flenn:

Ah, und nebenbei noch: Hands-On Mobile App Testing: A Guide for Mobile Testers and Anyone Involved in the Mobile App Business, von Daniel Knott. Ziemlich cool, wenn man sich für Software Testing mit Schwerpunkt Mobile interessiert (oder muss).  :uhoh:

felis

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #7 am: 09 May 2018, 11:26:55 »
Ich muss hier mal Werbung machen:
Habe gerade The slow regard of silent things von Patrick Rothfuss ausgelesen und finde es großartig.
Es ist völlig abseitig (unmainstreamig - wofür sich der Autor in einem Nachwort rechtfertigt) aber magisch - wie Patricia McKillip in ihren besten Büchern und mit Abstand das Beste, was Rothfuss bislang verfasst hat, außerdem bei weitem die beste Fantasy, die ich in letzter Zeit in die Finger bekommen habe.

Rilyn

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #8 am: 09 May 2018, 12:23:33 »
Seit meinem letzten Posting hier:

Tana French
Totengleich, Schattenstill, Sterbenskalt, Geheimer Ort
Hörbücher beim Arbeiten nebenher. Da ich mit Hörbüchern kaum Erfahrung habe, will ich mich nicht dazu auslassen, ob die Bücher Längen haben oder es mir nur so vorkam; aber insgesamt mag ich sie.

Minette Walters
Der Nachbar
Der erste Roman der Autorin, den ich nicht leiden kann. Er hätte so viel Potential, kommt mir aber schal, überladen und dadurch oberflächlich vor. Zu viele Themen, die in sich viel Aufmerksamkeit verlangen, in ein Buch gestopft.

Rebekka Mand
Der Kuss der Muse
:cheese:

Peter A. Levine
Trauma und Gedächtnis

Und weil ich es vor lauter Neugier nicht lassen konnte, habe ich in noch ein Hörbuch reingehört:

Sebastian Fitzek
Flugangst 7a
Fragt nicht. :grinwech:

Offline Quisille

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #9 am: 28 May 2018, 11:24:19 »
Nachdem ich gerade im "Auszeiten"-Thread verkündet habe, dank dauerhaft mieser Laune momentan lieber meine Klappe halten zu wollen... Das hier ist ein unverfänglicher Thread, weil die Texte, über die ich hier meckern kann, nicht von Anwesenden stammen. Na, dann darf ich ja, sogar im Sinne einer freiwilligen Selbstbeschränkung.

 :fies:

Es begann alles ganz harmlos damit, dass in der netten Buchhandlung nebenan eine Autorenlesung stattfand. Regionalkrimi. Da ich Lesungen nett finde und von Regionalkrimis keine Ahnung hatte, bin ich hingegangen und habe auch brav mein Exemplar gekauft.

Was soll ich sagen? Meine Interpretation ist, dass ich von Regionalkrimis wahrscheinlich noch immer keine Ahnung habe. Sonst würde ich sagen, das sei wie bei einem "regionalen Schauer": Es fällt deutlich weniger vom Himmel, und alle, die nass werden, kennen sich gegenseitig. Da Autorin und Werk abgesehen von meinem Unverständnis irgendwie sympathisch waren, werde ich hier nichts weiter über das Werk verlauten lassen.

ABER.

Das alles hat mir verdeutlicht, dass ich in der Sparte "Spannung" völlig unbelesen bin. Also, nächste Zugfahrt, rein in den Presseshop und ins Regal "Spannung" gegriffen. Was ich nach oberflächlicher Suche rausgezogen habe, war "Das Auge" von Richard Laymon. Offenbar geht der Schinken ganz gut, und Herr Laymon wird von meinen Bedenken eh nichts erfahren. Also, here goes.

Kleiner, schlechtgelaunter Hobbykritiker proudly presents: Le Klappentext!

Zitat von: Amazon Kurzbeschreibung
Sie sieht Dinge, die andere nicht sehen … grausame Dinge … Menschen, die sterben … Blut … Sie glaubt an ihre Visionen … Sie glaubt, dass diese Bilder reale Begenbenheiten zeigen...Morde...Vielleicht hat sie recht … vielleicht ist sie einfach nur wahnsinnig …Wer weiß?

Die ersten Seiten zeigen eine Geigerin, die bei einem Konzert vom Hocker rutscht, weil sie eine Vision hatte, in der ein Familienmitglied gewaltsam zu Tode kam. Passiert ihr offenbar öfter, und das letzte Mal lag sie richtig. => Interessant, gekauft, auf der Reise reingeschmökert.

Bevor ich weiternöckere: Was hättet Ihr nach diesem Einstieg und diesem Klappentext erwartet? Ich in etwa das hier: Mordserie, Konflikt zwischen den Visionen und einer skeptischen Polizei, falsche Verdächtigungen, Fiedel-Frieda wird der Mitwisserschaft oder Mittäterschaft beschuldigt und muss nun ihre Unschuld beweisen,... Es hätte alles so schön sein können.

Leider stellte sich dann heraus, dass der Thrill und das Übersinnliche sich als eine Steigerung von "sinnlich" begriffen. Eine wie auch immer geartete Unschuldsvermutung gilt hier mit absoluter Sicherheit für keine einzige Figur. Wir sind ja ein eher familienfreundliches Forum, also umschreibe ich die Angelegenheit mit dem aus dem Finnischen(?) entlehnten Terminus Fikkifukki.

Visionen und Gewaltverbrechen hatten nach den ersten Seiten ihre Schuldigkeit getan und gingen wieder zurück auf die Reservebank, um etwas anderem, viel tieferem, Platz zu machen. Ungelogen: Jede verdammte soziale Interaktion hatte was mit Doiiiing-Kuckuk! zu tun. Das Konzept, zwei Erwachsene könnten sich auch auf geistiger Ebene miteinander beschäftigen, wurde höchstens in ein, zwei Sätzen peripher tangiert. Ab und an hauen sich ein paar Testosteronträger, und am Ende wird wer umgebracht. Zwischendurch gibt's sporadisch uneinvernehmliches Fikkifukki, eine ganze menge einvernehmliches Beinahe-Fikkifukki, ständig wölbt sich knappe Herrenbadebekleidung, während die Damen auf Bekleidung meist ganz verzichten, und wenn nicht, dann nur, um in streng personaler Perspektive darbieten zu können, welche Textilien jetzt welche Körperpartien schmeichelnd umspannen.

Das Trio der Hauptfiguren (Fiedel-Frieda, Fiedel-Friedas Freund und Fiedel-Friedas Schwester) sieht sich zwar recht früh mit dem Problem konfrontiert, dass Papa Fiedel mit dem Sportwagen ins Koma hineinüberfahren wurde, aber das wird fürderhin fast nie mehr erwähnt, stattdessen ist Fiedel-Friedas Hauptanliegen, dass ihr Freund nicht ihre viel attraktivere Schwester doiiing-kuckukt.

Spoiler 1: Freund und Schwester tun es. Die Möglichkeit, dass ein Mann an Qualitäten interessiert sein könnte, die sich nicht durch Konfektionsgrößen objektiv messen lassen, wird noch nicht einmal erwogen. Klar, es gibt eine menge inneren Konflikt, weil Freund treu sein will, obwohl Schwesterchen den hübscheren Arsch hat. Aber auf den Gedanken, treu zu sein, weil ihm Fiedel-Frieda besser gefällt, trotz eines vielleicht nur moderat attraktiven Hinterns, kommen allem Anschein nach weder die Figuren, noch der Autor.

Trotzdem hat es der Autor bei all der Spannerei irgendwie fertiggebracht, dass der Roman trotzdem, äh, spannend war. Bis zur letzten Seite (exklusiv): Wenn man sich durch die ganze Nippel-Popo-Dingdong-Thematik gekämpft hat, dreht Fiedel-Frieda durch und säbelt mit einem Küchenmesser ihre Stiefmutter nebst deren Außenbeziehung nieder, und zwar recht farbenfroh. Denn Stiefmutter und Außenbeziehung machen zusammen Fikkifukki, und das geht Fiedel-Frieda gehörig gegen den Strich, mit Papa im Koma und so. Ihren Ärger kann ich echt nachvollziehen, denn Papa Fiedel ist dank Koma der einzige, der in diesem Roman kein Fikkifukki machen darf, und da fällt ihm seine eigene Frau in den Rücken und einem Anderen auf den Bauch. Sowas ist einfach nicht fair.

Sorry. War Spoiler 2. Ich tröste mich damit, dass es eigentlich nichts zum Spoilern gab, denn das Werk torkelt dermaßen konzeptlos durch den ersten Akt (pun intended), dass man noch nicht mal ein schwammiges Konzept entwickeln kann, was denn die dramatische Frage sei. Also nimmt es auch nicht wunder, wenn selbige Frage nicht beantwortet wird: Am Ende sehen wir betroffen, dass es gar keine Fragen gibt, auf deren Beantwortung wir hoffen. Bis auf eine vielleicht: Was zum Henker hatte es mit diesen Visionen auf sich?

Antwort: Nix.

Es hatte nix damit auf sich. Und all die Andeutungen, dass Fiedel-Frieda auch mal richtig lag mit den Visionen? Wird das aufgeklärt? Nö. "Fiedel-Frieda ist verrückt. Schluss."

Nie wieder ungeschützten Schriftverkehr.

Eins kann man immerhin aus diesem Desaster lernen. Es ist möglich, ein verkorkstes Konzept, eine schwächelnde Dramaturgie, eine platte Thematik und unappetitliche Figuren durch Spannung auf Szenenebene durch knapp vierhundert Seiten zu retten. Respekt. Da ich mutmaße, dass die Zielgruppe sonst eher die Billy Boy Packungsbeilage liest, hat der Autor das einzig Richtige getan und seine Manöver auch nicht durch übertriebene Subtilität vor den Augen seiner Leser versteckt. Trotzdem ist man desillusioniert, etwa so, als habe man jahrzehntelang Bildhauerei studiert, nur um festzustellen, dass man auch mit Dynamit Steine kleinkriegt.

Fazit, und ich sage das im vollen Bewusstsein aller möglichen Implikationen:

Für'n Arsch.
« Letzte Änderung: 28 May 2018, 11:38:41 von Quisille »
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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #10 am: 28 May 2018, 11:36:35 »
Auaaaaaaa. ;D
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Offline eska

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #11 am: 28 May 2018, 17:19:17 »
Hi!
Wenn ich das hier sagen darf ( off topic :versteck:): Es ist richtig schön, dich mal wieder in Aktion (sprich im Kritikermodus) zu erleben, Quisille!
So laut habe ich lange nicht mehr gelacht.  :cscreen:

(Aber deine Beobachtung greift einen Punkt auf, der neulich schon mal aufkam:
Zitat
Eins kann man immerhin aus diesem Desaster lernen. Es ist möglich, ein verkorkstes Konzept, eine schwächelnde Dramaturgie, eine platte Thematik und unappetitliche Figuren durch Spannung auf Szenenebene durch knapp vierhundert Seiten zu retten. Respekt.

Also, sollten wir unsere Bemühungen entsprechend konzentrieren: zuerst und am wichtigsten die Spannung (wobei die ohne Dramaturgie m.E. nicht lange zieht, aber gut, Meinungssache)? Da sträubt sich etwas in mir.[/size])

Um wieder zum Thema zu kommen:
Ich lese gerade Tyll von Daniel Kehlmann (30jähriger Krieg, Episodenroman) und kann und mag gar nichts Kritisches sagen. Liest sich gut, ist historisch stimmig, zumindest fällt mir endlich mal kein Fehler auf, die Figuren sind nicht unbedingt sympathisch und das Setting teilweise gar nicht appetitlich, aber alles sehr menschlich, nachvollziehbar, Fremdes gut erklärt ohne Infodump (muss ich mir mal eingehender anschauen), ein Highlight fürs Genre. Ich hoffe, das bleibt so bis zum Schluss.

Vorher gelesen: Die Hyddenworld-Serie (Fantasy, 4 Bände) von William Horwood. Es ist lange her, dass ich mal mehr als einen ersten Band Fantasy gelesen habe, hier zogen mich die Figuren und die Schreibweise (schwer zu beschreiben: innig, liebevoll, lebensklug?) hinein. Die Auflösung empfand ich allerdings als enttäuschend: leicht oberlehrerhaft und viel weniger komplex als alles vorher. Trotzdem sehr lesbar.  :dops:

Was noch? Tambora und das Jahr ohne Sommer, Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte, von Wolfgang Behringer. Ein erzählendes Sachbuch, das mich trotz einer Fülle von etwas ermüdenden Details fasziniert hat durch die Zusammensicht verschiedener historischer Phänomene um die Jahre 1815 ff. Globalität ganz anders und viel früher als gemeinhin gesehen und ein gewichtiger Wink zum Thema Klimawandel heute.

Noch was Historisches: Wir sehen uns dort oben von Pierre Lemaitre. Ein Roman über die Folgen des ersten Weltkriegs anhand zweier Freunde, die Skurriles, Faszinierendes, Trauriges und Abgründiges erleben. Sehr intensive Bilder. Lebendige Charaktere.

Demnächst mehr.  :cheerful:

eska
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Offline Ayira

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #12 am: 29 May 2018, 10:38:25 »
Die Kritik von Quisille war augenscheinlich humorvoller als das Ursprungswerk  :cscreen:

Aber dieser Satz

Zitat
Eins kann man immerhin aus diesem Desaster lernen. Es ist möglich, ein verkorkstes Konzept, eine schwächelnde Dramaturgie, eine platte Thematik und unappetitliche Figuren durch Spannung auf Szenenebene durch knapp vierhundert Seiten zu retten. Respekt.

erhält auch von mir volle Zustimmung. Gibt einige (Bestseller)Bücher, die zum Kassenschlager wurden (oder sich so gut verkauft haben), obwohl der Text im Federfeuer zu Asche verkohlt worden wäre. Das weckt Hoffnung für eigene Werke, auch wenn die Ansprüche daran dank dem Federfeuer ziemlich hoch sind.  :cheese:

Aber auch ich zurück zum Thema:
Wenig anspruchsvoll lese ich gerade die Reihe zum "das Wildpferd aus den roten Bergen" von Andrea Pabel, ein Jugendroman, der den Konflikt der Weißen mit den Indianern darstellt und auf interessante Art und Weise den "richtigen" Umgang mit einem Pferd beschreibt. In einer Federfeuerröstung würde dem Autor zwar wohl ziemliches Infodumping vorgeworfen werden, allerdings ist es meiner Meinung nach doch auch wieder geschickt in direkte Rede bzw. in den Umgang mit dem Pferd eingeflochten.
Dafür, dass das Buch aus dem Jahr 1980 ist, sind da echt einige spannende Knackpunkte aus der Reiterei drinnen, die teilweise aktuell als "brandneu" hingestellt werden, obwohl man hier sieht, dass es das damals schon gegeben hat. Nur haben sich halt nur wenige wirklich dessen bedient.

Als Jugendbuch für (pferdebegeisterte) Kinder daher sehr zu empfehlen. Es sensibilisiert auf einen guten Umgang mit dem Partner Pferd und legt einen deutlichen Fokus auf die Pflege der Beziehung zu diesem, während gleichzeitig soziale Konflikte und das Trauerspiel der illegalen Jagd nach Wildpferden, um diese an Schlachtereien zu verhökern, aufgegriffen werden.

Als Erwachsene lese ich es gerade gern (zum ersten Mal), muss aber auch sagen, dass teilweise ziemliche Handlungsschnitte in den Szenen sind und der Wechsel dieser oftmals auch sehr abrupt ist. Teilweise geht mir da die Emotionalität für die Prota unter, und gelegentlich hätte man auch mit Rufzeichen in direkter Rede sparen können.

Aber das sind Erbsen eines "erfahrenen" Lesers.
Für meine eigene Beziehung zu meinem Pferd habe ich aber sehr schöne Anregungen sammeln dürfen. Gerade fürs Wanderreiten war es interessant zu erfahren, wie man z.B. den Ruhepuls beim Pferd misst oder wie man auf Distanzritte zum Wohle des Pferdes richtig trainieren kann.
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Offline Quisille

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #13 am: 30 May 2018, 11:47:22 »
(Aber deine Beobachtung greift einen Punkt auf, der neulich schon mal aufkam:
Zitat
Eins kann man immerhin aus diesem Desaster lernen. Es ist möglich, ein verkorkstes Konzept, eine schwächelnde Dramaturgie, eine platte Thematik und unappetitliche Figuren durch Spannung auf Szenenebene durch knapp vierhundert Seiten zu retten. Respekt.

Also, sollten wir unsere Bemühungen entsprechend konzentrieren: zuerst und am wichtigsten die Spannung (wobei die ohne Dramaturgie m.E. nicht lange zieht, aber gut, Meinungssache)? Da sträubt sich etwas in mir.)

Spannung gibt's ja sowohl auf Szenenebene als auch erzählungsübergreifend. Insofern kann man tatsächlich aus den Fällen lernen, die Spannung auf Szenenebene gekonnt umsetzen, aber auf Ebene der gesamten Erzählung (sorry) komplett versagen. Letzteres zu lesen, ist wie Kartoffelchips zu futtern: Wenn der erste Chip verputzt ist, verspürt man einen unbändigen Drang, gleich den nächsten einzuwerfen. Macht durchaus Spaß, aber wenn dann die Tüte alle ist, fühlt man sich irgendwie hohl. Ohne packendes Thema, ohne eine wohldurchdachte Dramaturgie, ohne solide Struktur, ohne interessante Figuren bleibt uns nur der Nachgeschmack von Natriumglutamat.

Dennoch: Hat man es mit einem Meister zu tun, der sowohl auf Erzählungsebene als auch auf Szenenebene Spannung erzeugt, ist es schwierig, das eine vom anderen zu trennen. Oft lernt es sich leichter von Normalsterblichen, die in einem Bereich außergewöhnlich gut sind, in anderen Bereichen aber nicht so dolle. Ein Vorbild mag Laymon nicht sein, dennoch kann man Fiedel-Frieda tatsächlich als schreibtechnisches Labor nutzen. Meine ich ausnahmsweise ganz ohne Ironie.

Leichen seziert man ja auch nicht mit dem Ziel, später mal eine wirklich gute Leiche zu werden. :cheese:
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Lilith

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #14 am: 30 May 2018, 12:04:49 »
Da hast du dir mit Richard Laymon ja genau den Richtigen ausgesucht, Quisille. ;D Im Ernst: Dessen ausufernde Sex- und Gewaltdarstellungen haben ihn in Amerika fast seine schriftstellerische Existenz gekostet, wenn er nicht in Europa the next big thing geworden wäre. Er gilt ja i.d.R. auch mehr als Horror- denn als Thrillerautor - wie's bei "Das Auge" ist, kann ich nicht beurteilen.

Offline Quisille

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #15 am: 30 May 2018, 15:51:06 »
Er gilt ja i.d.R. auch mehr als Horror- denn als Thrillerautor - wie's bei "Das Auge" ist, kann ich nicht beurteilen.

Ich schon. Es war der reinste Horror. :cheese:
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Offline SirJasonCrage

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #16 am: 31 May 2018, 01:47:21 »
Es ist so schön, wenn Quisille wen anderes röstet als mich. Die Narben jucken dabei zwar etwas, aber es macht glücklich.


Ich habe vor kurzem die Stormlight Archives soweit durchkonsumiert wie sie nun eben bis jetzt existieren.
Und ich wette mit euch, in Buch vier wird die Hauptfigur des Buches nach zwei Dritteln der Seitenzahl einen scheinbaren Sieg erringen, der sich kurz darauf als wirklich ungünstige Wendung für unsere Figuren entpuppt.
Nach dem zweiten Buch habe ich dies schon fürs dritte vorhergesagt und ich denke nicht, dass er nach drei erfolgreichen Büchern sein Schema ändern wird.

Brandon Sanderson schreibt sich bevor er ein Buch anfängt keine Outline, nach der er sich dann strikt richtet, nein. Der ist schon viel weiter im Prozess, viel effizienter und professioneller: Er nimmt seine Outline-Vorlage und füllt ein paar Lücken aus.

Ich bin bei den Büchern geblieben und muss zugeben, ich habe die Lektüre genossen. Der Mann ist ein Meister des Worldbuildings und er versteht es, gute Szenen zu schreiben, die ihn inspiriert haben. Er vermittelt dem Leser die Freude, die er beim Erschaffen dieser Szenen empfunden hat Aber man merkt ihm deutlich an, wenn er etwas nur geschrieben hat, weil den Punkt in seiner Outline ausformulieren musste.

Die Figur müsste total out-of-character handeln, damit die Story so läuft wie vorher geplant? Tja ok, dann ist das halt so.

Der Mann ist gut. Die Bücher sind gut. Aber eigentlich rege ich mich bei der Lektüre viel zu oft über Brandon Sanderson auf und zu wenig über Odium, Dalinar oder Kaladin.



Momentan lese ich, please don't spoiler me, Frank Herbert. Dune. Der macht auch Sachen, die mich komplett aus dem Lesefluss reißen. Aber dem verzeihe ich, vielleicht hat man das vor 50 Jahren einfach so geschrieben.
"Ist es nicht ein genialer Plan, den ich, Baron Vladimir Harkonnen entwickelt habe?"
So spricht der Baron zum Ausführer des besagten Plans, nachdem er ihn mit ihm zusammen nochmal erläuterte, obwohl dieser ihn bereits kannte.
Ist das noch "As you know, Bob"?

Trotzdem, ich mag das Buch. Der erste Akt ist vorbei und ich freue mich jeden Tag darauf, in der Mittagspause eine Stunde auf Arrakis zu verbringen. Es ist etwas trocken (hehe) für meinen Geschmack, aber die Handlung spricht mich trotzdem an, die Figuren sind interessant genug und der Ruf des Buches gleicht das sowieso alles wieder aus.
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Zu jeder Zeit, an jedem Ort, bleibt das tun der Menschen das Gleiche.

Offline FF

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #17 am: 31 May 2018, 07:16:31 »
Dune ist ein harter Brocken. Ich habe mir mal die ganze Reihe auf den Kindle geladen, aber nach dem vierten Buch oder so habe ich aufgegeben.
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Offline Tika

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #18 am: 01 June 2018, 12:07:17 »
Ich lese gerade "Die Brücke von Remagen" von Rolf Palm - allerdings schon zum 2. oder 3. Mal aus gegebenem Anlass zur Recherche.
Schon interessant, wie es an der Ludendorffbrücke wirklich abging - der gleichnamige Film verfälscht doch einiges.
  • Ich schreibe gerade: Nix - weil ich mich noch nicht entscheiden kann...
Wenn ich mich kurz fassen könnte, würde ich keine Romane schreiben.

Taurussieben

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Re: Was lest ihr gerade? (2018)
« Antwort #19 am: 02 July 2018, 21:31:14 »
Dune ist ein harter Brocken. Ich habe mir mal die ganze Reihe auf den Kindle geladen, aber nach dem vierten Buch oder so habe ich aufgegeben.

Ich hab ca. auf der Hälfte des letzten Buches aufgegeben (das 6te?), das war mir dann alles zu Meta...   :watchout:
An sich ist aber der Dune-Zyklus vom Weltenbau und vom weitumfasssenden (untertrieben) Handlungsboden äußerst interessant. Wer sich nicht durch alle Bände quälen will, kann zumindest den Wiki-Weg wählen.  :cheese:

Momentan am lesen: Mortal Engines Vol. 1 - Philip Reeve