Hallo Ayira,
ich gestehe, ich fühle mich dumm, aber: Ich verstehe die Pointe nicht. Nein, das, was ich verstehe, lässt mich ratlos zurück.
Warum das so ist:
Im Grunde steuerst du auf zwei Pointen zu, doch keine wirkt auf mich wie eine tatsächliche Wende oder überraschend oder hintersinnig genug. Denn genau darauf zielen beide Pointen ab - Überraschung und Hintersinn.
Die vermeintlich überraschende Wende ist die, als Amor Tina mit MrChristianGrey verkuppelt. Die vermeintlich hintersinnige, dass wir es mit dem Liebesgott selbst zu tun haben, der vom Herrgott dazu verdonnert wurde, sein Dasein als Kater zu fristen, weil er einen Pfarrer an Fronleichnam abgeschossen hat.
So weit, so gut. Oder?
Leider nicht.
Mein Problem mit Wende Nr. 1 ist, dass ich sie nicht verstehe. Was genau soll daran jetzt schlimm für Tina werden? Gilt für diesen Usernamen Nomen est omen und Tina darf sich im Bett auf unfreiwillige "SM"-Spielchen* gefasst machen?
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Ohne Shades of Grey jemals selbst gelesen zu haben - die Diskussion dazu habe ich ein wenig verfolgt. Demnach sind die Spielchen in SoG eher missbräuchlicher Natur als einvernehmlicher BDSM. Solltest du genau darauf für Tina hinaus wollen, wäre das eine ziemlich bittere und böse Pointe, aber mir dafür noch nicht stark genug.Lies: Das ist so vage, das haut mich nicht vom Hocker. Gerade weil Amor eigentlich nichts über Tina weiß
und mit seinem Fakeprofil für sie gleich noch beweist, wie wenig man über die reale Person hinter dem Foto wissen kann. Weniger als nichts. Man muss vertrauen.
Ehrlich gesagt dachte ich zuerst, es würde direkt auf so eine Pointe hinauslaufen. Amor bewertet die Profile der muskelbepackten Helden am besten, aber der Schein trügt. Etwas ähnliches berührst du tatsächlich mit MrChristianGrey, nur dass es Amors Eindruck ist, der ihn täuscht.
Wenn ich das Ende richtig interpretiere.
Und
wenn es so gemeint ist, wie ich es mir denke, dann hat es angesichts der Realität einen verdammt bitteren Beigeschmack, denn: das passiert nicht selten. Man schreibt ein bisschen nett hin und her, alles wirkt super, dann steht das erste Treffen an und natürlich geht's ins Bett - oder, schlimmer, man wird ins Bett gedrängt oder zu Praktiken, die einem keinen Spaß mehr machen. Und das ist nicht nur keine schöne, sondern eine verheerende Erfahrung.
Das Problem mit Wende Nr. 2 ist, dass sie wie eine nachgeschobene Erklärung wirkt. Und Wende Nr. 1 aushebelt. Warum? Weil nun mal der Schluss das ist, was am ehesten im Gedächtnis bleibt. Das ist in diesem Fall Amors Fauxpas bei der Predigt.
Nachgeschoben heißt leider auch: belanglos. Damit schwächst du den bisherigen Text, denn alles, was Amor an Überlegungen vor sich herschiebt, kann seine volle Wirkung nicht entfalten, solange ich über seine wahre Natur rätseln muss. Warum hat der Kater menschliche Züge, warum hat Chefe ihn verdonnert, warum will er Tina unter die Haube bringen? Die Frage beantwortest du damit, aber es ist nicht die zentrale Frage, um die sich dein Text dreht. Oder drehen sollte.
Zumindest unterstelle ich ihm das, denn bis jetzt liegt der Fokus der Handlung auf der Kuppelei. Von daher schlage ich vor, dass du diese Fragen zum Dreh- und Angelpunkt erhebst: Wird Amor es schaffen, Tina ein Onlinedate zu verschaffen? Was wird dabei schief gehen?
Wenn dich das nicht befriedigt, frage dich einfach selbst, welches für dich der zentrale Konflikt ist. Oder analysiere die Pointe, auf die du ursprünglich hinaus wolltest - auf welche Frage gibt sie eine Antwort? Das ist deine spannende Frage, jene, welche die Geschichte vorantreibt.
Dass die noch nicht richtig funktioniert, liegt auch daran, dass Tina nicht in die Suche mit einbezogen wird. Selbst wenn Amor jetzt dieses Treffen ausmacht ... Solange Tina nicht mitspielt, hat er ein Problem. Die kann sich immer noch dafür entscheiden, dass das Humbug ist, was ihr Kater ihr aufschwatzen will, oder, wahrscheinlicher, sie bemerkt nicht einmal, was er hinter ihrem Rücken ausgeheckt hat.
Heißt: Amors Vorhaben ist nicht wirklich in Gefahr. das läuft zu glatt. Es gibt nichts, woran er sich stößt oder stoßen könnte. Warum lässt du Tina ihn nicht erwischen? Das sorgt für Konflikt auf beiden Seiten und wirft Fragen auf. Wie reagiert sie auf die Entdeckung, dass ihr Kater mehr als nur ein Kater ist? Wie versucht Amor, sich aus dem Schlamassel zu ziehen? Wie reagiert Tina auf das ausgemachte Date? Verliebt sie sich sofort? Und tappt dabei in eine Falle oder Amors Schläue stellt sich als einzige große Dummheit heraus?
Mach's konkret, dann wird es lebendiger. Das gilt nicht nur für Formulierungen, sondern auch den Spannungsbau.
Ein drittes Problem ist der Plauderton, in dem der Text verfasst ist. Der lässt sich zwar locker lesen, bleibt aber nicht im Gedächtnis haften und nimmt dem eigentlichen Konflikt das Gewicht. Versteh mich nicht falsch: das heißt nicht, dass du deinen Text nicht so schreiben solltest oder dürftest, ganz im Gegenteil! Immerhin lässt es sich leicht runterlesen, aber - und das ist der wichtige Punkt - es muss den Fokus auf das Wichtige lenken. Der eigentliche Konflikt darf nicht untergehen. Das geschieht hier aber. Noch.
Schau dir mal die bisherige Gewichtung bzw. Verteilung von Konflikten an, Absatz für Absatz:
Im Fegefeuer gegrillt zu werden, hätte auch gereicht. Meine Schuld wäre kurz und schmerzvoll zu Asche verbrannt - und ich hätte befreit zu meiner alten Herrlichkeit zurückkehren können.
Stattdessen hockte ich hier. Auf einer leeren zweiten Betthälfte, in der meines Wissens noch kein männliches Wesen geschlafen hatte. Außer mir.
Ich verzog mein Gesicht. Es war Samstagnacht – und Tina schlief. Dem leisen Schnarchen nach zu urteilen sogar schon tief und fest. Dabei war es noch nicht einmal zehn Uhr.
Ich kannte Achtzigjährige, die sich um diese Zeit noch amüsierten. Mit einem Mann natürlich. Ein Lächeln - selbst nur mehr mit ein bis zwei Zähnen - und der Funke sprang über. Was folgte, waren lange Gespräche bis frühmorgens, ein Abendessen, Händchen haltend und mit verliebten Blicken über den Tisch zuwerfend, oder ein Rendezvous zum Tanzen.
Aber Tina schlief lieber. Allein.
So wurde das nichts mit der Liebe. Das war ja ein Trauerspiel!
Ich war ein außerordentliches Talent im Verkuppeln von Paaren gewesen. Genau genommen war ich sogar der Ethan Hunt in puncto Beziehungen gewesen. Wo ein Wille, da ein Weg…
Bis zu diesem verdammten einen Tag, bei dem sich die unglücklichen Zufälle summiert und eine idyllische Ortsgemeinschaft samt lupenreiner Musterehe zerstört hatten. Ja, ich war daran nicht ganz unschuldig gewesen, aber jeder machte einmal Fehler. Sogar ich. Wichtig war nur, dass man sie wieder ausbügelte.
Amor hat einen Fehler gemacht und will ihn wieder ausbügeln, aber Tina ist ein hoffnungsloser Fall. Was tun?
Also gab es für mich nur einen Weg: Ich musste Chefchen davon überzeugen, dass er doch einen Fehler mit meiner Suspendierung gemacht hatte. Nur als Wohnungskatze mit einer Besitzerin, die lieber schlief als mit den Mädels durch die Bars zu ziehen … vielleicht doch eine Mission impossible.
Halt, Moment - was rede ich da eigentlich? Bin ich denn schon von Sinnen? Ich bin ein Naturtalent! Unmögliche Situationen erforderten eben nur mehr Kreativität …
Also überleg mal, Junge. Was kannst du als ordinäre Stubenkatze anstellen, damit Tina in puncto Männer nicht leer ausgeht und du zurück zu deiner Berufung kannst?
Ich könnte auf einen Baum klettern und einen Kater in goßer Not mimen. Die Feuerwehr (mit sehr großem Männeranteil in der Mannschaft) würde kommen, um mich hilfloses Tier zu retten und mich meiner überaus dankbaren Besitzerin zurückzugeben. Ich würde die Rettung nicht einfach machen. Etwas Dramatik schadete nie. Ich war ein begnadeter Schauspieler.
Das setzte allerdings voraus, dass ich diese Wohnung - die keine Katzenklappe an der Tür besaß – irgendwie verlassen musste. Danach würde die Suche nach einem Baum folgen. Soweit ich es von meinem Beobachtungsposten am Fenster wusste, befand sich in dieser Straße kein einziger Baum.
Und eigentlich hatte ich auch Höhenangst …
Nein, lieber kein Kater im Baum.
Am besten wäre es, die Wohnung gar nicht verlassen zu müssen. Nur wie bekam ich so die Aufmerksamkeit eines Mannes, hier nach seinem Schneewittchen zu suchen?
Amor überlegt, was er tun könnte. Den Absatz kannst du getrost zusammenstreichen und in weiten Teilen kürzen. Hier passiert keine Veränderung, das ist reine Bestandsaufnahme. Das führt die Situation vor Augen, in der Kater-Amor sich befindet, verliert aber zu viel durch die detailreichen Beschreibungen. Dazu sind sie nicht pointiert genug.
Das Telefon!
Nein, Moment. Ich konnte ja gar nicht sprechen – nur kläglich maunzen. Wieso musste ich ausgerechnet in einen Katzenkörper gesteckt werden? Waren die Papageien etwa schon anderweitig vergeben gewesen? Ich warf einen mörderischen Blick zur Zimmerdecke hoch. Chefchen hatte es mit seiner Strafe deutlich übertrieben. Meine Lektion hatte ich auch so schon gelernt: Nie wieder Alkohol im Dienst! Wer konnte schließlich schon ahnen, dass meine ausgezeichnete Trefferquote nach ein, zwei Gläschen Prosecco nicht mehr so ausgezeichnet war?
Aber das würde sich wieder ändern. Mit Pauken und Fanfahren würde ich zurückkehren, wenn ich es sogar als Katze schaffte, zwei Herzen zu verkuppeln.
Verkuppeln. DAS war die Idee! Onlinedating! Von Zuhause aus bequem nach dem Traumprinzen suchen … Warum war mir das nicht schon früher eingefallen?
Amor überlegt weiter und hat schließlich eine Idee: Onlinedating.
Auch hier gilt: in der Kürze liegt die Würze.
Also weg mit dem Speck.
Ich schoss ins Wohnzimmer hinüber und tappte mit der Pfote auf den ON-Knopf des Laptops. Ich war schon immer ein Genie, daran hatte sich auch als Kater nichts geändert. Ich suchte im Internet nach Online Dating – und da war sie, die perfekte Plattform: Coupidoo – chatten, flirten und vielleicht die große Liebe finden. Genau was ich – oder besser gesagt Tina – brauchte.
Das Profil war schnell erstellt. Auf Tinas Festplatte gab es genug schöne Urlaubsfotos. Und sie sah ja auch gar nicht schlecht aus im Bikini. Man musste nur die Oma wegretuschieren und sie aus dem All-inklusive Betonklotz am Attersee ausschneiden und auf eine abenteuerliche Klippe kopieren. Sie war ein herzensguter Mensch, und mit dem richtigen Mann an ihrer Seite … würde sie ein perfektes, interessantes Leben genießen.
Tinas Hobbys waren also ab heute Party machen (statt um neun Uhr abends ins Bett gehen), neue Leute kennen lernen (und nicht mit der Verwandtschaft auf Urlaub fahren), in exotische Länder Reisen und das Leben genießen.
Speichern – und fertig.
Amor in Aktion - er bastelt Tina ein Profil. Konflikt? Fehlanzeige. Das läuft alles zu glatt. Das könnte funktionieren, wenn gleich darauf etwas passieren würde, was dem Ganzen eine Wende gibt, doch das geschieht nicht. Es geht so weiter.
Ich klickte auf „Spielen“. Ein Foto nach dem anderen erschien, ich muss nur entscheiden, ob mir der Mann darauf gefiel oder nicht. Die Langweiler mit Nerdbrille, komischen Grimassen oder Darkwin Duck Enten in einer Badewanne als Profilbild schieden gleich aus – die echten Männer, die mit gutgebautem Oberkörper, gestylten Haaren und mit frechem Grinsen, kriegten ein Häkchen von mir.
Und ha – das erste Match! Der Mann hatte eindeutig guten Geschmack, in dem er mich auch geliked hatte – und was las ich da? Er war Pilot.
Noch ein Matsch. Diesmal keine Berufsangabe, nur ein halbes, dafür aber attraktives Gesicht als einziges Foto. In seinem Profil stand, er wäre ein echter Gentleman und würde eine Frau zum Verwöhnen suchen. Das klang ja super!
Amor sucht Tina einen Mann und hat auch gleich Erfolg.
Der Mauszeiger schwebte schon über dem Chatten-Button, da sprang mich eine Nachricht von einem weiteren Kandidaten an: Hallo, wie geht’s?
Nicht gerade das einfallsreichste Anschreiben, aber ich schaute mir sein Profil an - und er sah schon verdammt gut aus!
Sehr sympathisches Gesicht, blaue Augen, verführerisches Lächeln. Ein zweites Foto zeigte einen durchtrainierten Oberkörper. Persönliche Angaben hatte er keine gemacht, aber der Benutzername MrChristianGrey klang höflich, kultiviert und äußerst vielversprechend.
Eindeutig. Das war er. Mr. Perfect für Tina. Ich hörte schon die Hochzeitsglocken läuten, gefolgt von den Jubelrufen und Glückwünschen, dass ich wieder auf meinen alten Posten zurückkehren konnte. Chefchen würde mir meine Marke retour geben und mir Pfeil und Bogen aushändigen.
Auf letzteres würde ich aber verzichten. Mein Waffenschein lief ohnehin aus; und wenn ich zukünftig meine Paare online verkuppelte, konnte ich getrost ein- zwei Flaschen Prosecco trinken, ohne aus Versehen den Ortspfarrer bei der Predikt an Fronleichnam mit einem Liebespfeil abzuschießen.
ChristianGrey ist Mr. Perfect und der Kater in Wahrheit Amor, der Liebesgott.
Du siehst, in so vielen Zeilen Text passiert bisher ziemlich wenig. Versuch mal, deine Geschichte in einem Satz auf den Punkt zu bringen und beantworte dabei folgende Fragen:
Wer ist der Protagonist? - Amor.
Wer steht ihm im Weg? - Tina? Chefchen?
Was ist sein Ziel? - Tina verkuppeln.
Was steht ihm im Weg? - Ja, was?
Wichtig dabei: Was sind die Ziele der Widersacher (Tina/Chefchen) und welche Steine liegen Amor aufgrund derer im Weg? Was tun sie oder würden sie tun, um ihn am Erreichen seines Ziels zu hindern? Chefchen hat ihn bereits abgestraft und Tina ist zu passiv.
Da geht aber noch mehr.
Zu guter Letzt noch ein paar Tipp- und Rechtschreibfehler:
goßer
großer
Fanfahren
Fanfaren
DAS war die Idee! Onlinedating!
Einheitliche Formatierung, bitte:
Das war die Idee!
Onlinedating!ON-Knopf
On-Knopf
Online Dating
Auch hier: bitte einheitlich schreiben. So oder so: "Online Dating" ist falsch, es muss entweder Onlinedating oder Online-Dating heißen. Der Duden schlägt "Onlinedating" vor.
All-inklusive Betonklotz
All-inclusive-Betonklotz
Darkwin Duck Enten
Darkwin
g-Duck-Enten
Matsch
Match
Predikt
Predigt
Zu anderen Punkten wie dem Problem, das der Mythologienmix mit sich bringt, und der Charakterisierung Amors haben Uli und Rilyn schon genug gesagt, da setze ich nicht noch eins drauf.
In der Hoffnung, dass es dir weiterhilft,
liebe Grüße,
Lilith