Eeeeeehhhhmmmmmnein.
Es gibt ja diverse Phänomene in der Literatur, denen man leider immer wieder begegnet. Eins davon ist das Artus-Syndrom, in dem dieselbe Geschichte immer und immer und immer wieder erzählt wird, nur aus unterschiedlichen Perspektiven. Oder das AnneMcCaffrey-Syndrom, in dem eine Autorin (leider sind es meistens Autorinnen) sich so unsterblich in eine von ihr geschaffene Figur verknallt, dass sie den Lebenszeitraum dieser Person nicht mehr verlassen kann, obwohl die Geschichte längst zu Ende erzählt ist. Dann gibt es das FanFiction-Syndrom, in dem irgendwer Figuren einer geliebten Serie bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Und es gibt das Geldphänomen, bei dem eine Autorin selbst nur noch den Namen der Serie hergibt und das katastrophale Machwerk, das zwei absolut unfähige Napfnasen daraus gemacht haben, für ein Wahnsinnsgeld an unschuldige Leser verhökert, die sich einfach nur in eine gemütliche Fortsetzung kuscheln wollten.
Erkennt irgendwer hier meinen subtilen Hinweis?
Hint: Ja, ich habe mir HPatCC angetan.
Zumindest zur Hälfte. Gelesen habe ich es nicht, aber auf Youtube hat irgendein armer Mensch das Ding über sechs Stunden lang vorgelesen. Ich habe drei Stunden durchgehalten. Dann habe ich abgebrochen und mir stattdessen die Youtube-Rezensionen diverser Leser/innen angesehen. Die waren zum Teil recht amüsant, zum Teil nervig (amerikanisches Englisch sägt mir irgendwann die Ohrnerven durch), aber alle waren sich einig in ihrer entsetzten, niedergeschmetterten Fassungslosigkeit. Jede/r von ihnen hielt das für damals rund 40 Dollar gekaufte Buch vor die Kamera, und jede/r von ihnen starrte mich an und fragte:
WHAT THE FUCK DID I JUST READ???
Caveat: ich bin kein Harry Potter-Fan. Ich habe die Bücher gelesen und ein paar Filme angesehen, und ich halte JK Rowling zugute, dass sie eine großartige, vielfältige und genial durchdachte magische Welt und einige unvergessliche Charaktere erschaffen hat. Ich mag den Sprachwitz und den zum Teil absurden Humor. Was ich nicht mag, sind die Geschichte und die Art, wie JKR mit sadistischer Grausamkeit umgeht. Das Grundprinzip "Harry Potter, die einzige Hoffnung der Welt, weil seine Mami ihn ganz doll lieb hatte" finde ich für den Eimer.
Aber darum geht es jetzt nicht, und ich will auch nicht über Harry Potter reden. Sondern über "THE POTTER LEGACY".
In HPatCC geht es um nichts anderes als um ein Aufwärmen der Geschichte, die wir alle kennen und die mit "All was well" reichlich ungeschickt zu Ende gebracht wurde. Es gibt eine "next generation", ein paar handgewedelte Teenieprobleme und einen Timeturner, der "weiterentwickelt" wurde und es jetzt einem dummen Emoteenie und seinem besten Freund ermöglicht, in der Zeit zurückzureisen und Harrys "größten Fehler" zu verhindern, nämlich den Tod von Cedric Diggory.
Nicht, dass es bessere Figuren gegeben hätte, deren hirnrissig sinnlosen Tod Millionen von Fans betrauert haben. Fred. Tonks. Lupin. Nein, Cedric muss es sein. Weil.
Also reisen Harrys Sohn Albus und Dracos Sohn Scorpius VIERMAL in der Zeit zurück, um beim ersten Versuch etwas zu ändern und bei den nächsten Versuchen die durch ihre Änderungen ausgelösten Katastrophen irgendwie einzudämmen. Es passiert eine Menge nutzloser Blödsinn, untermalt von peinlichen Platitüden, snapescher Heldenverehrung, ronscher Idiotendarstellung und der kompletten Ent-Badass-isierung von Hermione und Ginnie und so ziemlich jeder Frau in diesem alternativen Universum. ALLE Charaktere verhalten sich a) schwachsinnig, b) niederträchtig und c) komplett entgegengesetzt zu ihrer Charakterisierung in den sieben Büchern. Da ich nach drei Stunden aufgegeben habe, kenne ich den Rest nur aus den Rezensionen, aber offenbar muss sich jeder mal irgendwie opfern, um die echte Realität wieder herzustellen. Am Schluss ist alles irgendwie doch nicht passiert, die Bösewichte sind besiegt, alle haben sich wieder liep, JKR kassiert ein paar weitere Millionen, und die Fans sitzen da und können nicht fassen, was sie da gerade gelesen haben. Und es ist offizieller Kanon. Voldemort hatte eine Tochter mit Bellatrix. Harry, der seine ganze Kindheit hindurch gemobbt wurde, ist ein Arsch, mobbt seinen Sohn und bedroht McGonagall. Hermione brauchte Ron, um nicht zu einer verbitterten, unverheirateten Schreckschraube zu werden, die ihre Karrierewünsche aufgegeben hat und Kinder hasst. Gerettet werden sie durch eine alte, gammelige Babydecke.
Das Ding ist nicht einmal ein Buch, sondern eine "Script Adaptation" für ein Theaterstück. Statt ganzer Sätze liest der arme Sprecher also vor:
"Albus. I wish you weren't my father. Harry. Sometimes I wish you weren't my son."
In exakt demselben angeödeten Tonfall, in dem ich es da hingetippt habe.
Ernsthaft jetzt: WHAT THE FUCK???
Dieses Machwerk macht ALLES falsch. Es verbindet schlechteste Fanfiction mit purer Geldgier und fauler Ignoranz. Handwerklich ist es eine Katastrophe. Es gibt weder Humor noch Originalität, stattdessen werden nur alte Versatzstücke und ein paar bekannte Namen zusammengeschmissen und durch einen absolut hanebüchenen Zeitreiseplot geprügelt.
Und JKR, die doch irgendwann selbst gemerkt hatte, dass die Timeturners ihre gesamte Geschichte kaputtmachen, hat dieses Ding durchgewunken und als Kanon autorisiert. Ich frage mich, ob sie es eigentlich gelesen hat.
Was für eine erbärmliche Verschwendung. Und was für ein erbärmlicher Betrug an den Fans.
Meine Bewertung: 1/10 feindseligen Zentauren