Frisch im Urlaub gelesen:
1.Max Scharnigg: Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau.
Gefiel mir sehr gut: langsame, friedlich erzählte Story (obwohl viel passiert) aus einer einsamen Hofstätte, auf der drei Generationen Honigbrod-Männer ihr sehr eigenbrötlerisches Leben leben. Skurrile, liebenswerte Charaktere, überraschende Einbrüche der historischen Realität mit Informationsgehalt, sehr passende Erzählstimmen...
Kann ich empfehlen!
2. Marina Lewycka: Die Werte der modernen Welt unter Berücksichtigung diverser Kleintiere.
Ganz nett. Einblicke in 1. die verrückte Welt der Börse und 2. das Leben in der Kommune in den 70ern aus Kindersicht. Gute Beobachtung der Menschen, kein Identifikationsmodell. Handlung etwas überspitzt?
Den typisch englischen Humor, den der Klappentext ausweist, kann ich nicht als solchen nachvollziehen.
3. Moritz Rinke: Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel.
Ärgerlich, weil vielversprechend.
Recht interessanter Ansatz, der erst ewig auf der Stelle tritt und nicht weiterkommt, dann alles auf einmal den Bach runtergehen lässt. Dabei werden manche Fragen gar nicht aufgelöst (Beziehung), manche Lösungen sind von vorneherein klar (Vaterschaft), eine (Marie) ist verstörend und passt meines Erachtens nicht zu dem sonst Geschilderten. Das Ende (in einem Prolog am Anfang vorweggenommen, weshalb, blieb mir unklar) ist offenbar überall nur Zusammenbruch, der aber keinen kümmert. Es bleibt das Gefühl zurück, die einzig Normalen sind die 'Gestörten'.
Tragikomisch (laut Kritik) finde ich da gar nichts, tragisch schon eher, anklagend viel zu wenig. Ob Vergewaltigung oder Nazi-Mittäterschaft, im Norden wird alles verschwiegen und sich stattdessen lange geschnäuzt, bis eine andere Reaktion sich überholt hat, so ungefähr der Wortlaut.
Überleben kann man anscheinend nur in der Neurose oder der Flucht oder beidem (Amerika, Lanzarote und der Selbstverwirklichungstrip).
Noch etwas Irritierendes: Alle Nicht-Deutschen leben ausnahmslos im Zwielicht, als Huren, Hehler, Betrüger (Ana, Kovac, Georgij), sind dabei durchaus die zum Teil sympathischeren Figuren.
Dabei ist die Sprache schön und viele Einzelheiten bleiben hängen: die Bilder Ohlrogges, die des blinden Malers, die Zeichnungen Anas, die Kunst-Ansätze Gustavs, die er in der Therapiegruppe aufrollt, weil ihn keiner versteht, die Bronzestatuen, die sich gegenseitig vorm Versinken retten, indem sie sich 'aufwiegen'...
Kennt jemand das Buch? Liegt der Eindruck an mir oder passt da wirklich einiges nicht? Oder ist es ein verzweifeltes Buch, die Sicht auf Deutschland und Kunstbetrieb als Sumpf, der alles schluckt, egal, was man wieder ausgräbt, es geht wieder unter? Ich bin verstört.
4. Yoko Ogawa: Der Herr der kleinen Vögel.
Bin noch nicht fertig, aber der Vollständigkeit halber:
Erholsam.
Entschleunigte, detaillierte Beschreibung kleinster Begebenheiten, der Wert des Unscheinbaren, anrührendes Verständnis zwischen den Brüdern.
Bizarres Leseverhalten des Protagonisten: Jedes Buch, das irgendwie mit Vögeln zusammenhängt, und sei es die Firmenchronik eines Käfigherstellers, ist ihm lieb und eine Entdeckung. Seltsamerweise kann man dieser Logik folgen!
Das Buch vermittelt einen unaufgeregten Umgang mit dem Unabänderlichen, Traurigen: Solange der Mensch eine Aufgabe hat, kann er damit leben.
Dies für heute.
eska