Geht es nur mir so, oder auch anderen?
Ich war einmal eine absolute Viel-Leserin. Ob kleines Büchlein oder schwerer Schinken, egal. Ich habe sie gelesen, wenn mich der Klappentext halbwegs ansprach. Mit der Zeit fand ich auch Lieblingsautoren, von denen ich unabhängig vom Klappentext grundsätzlich alles las, was ich von ihnen in die Finger bekam.
Das hat mir nie geschadet, denn wer AutorIn werden will, der sollte sowieso lesen, lesen, lesen...
ABER
Seit ich Autorin BIN habe ich damit so meine Probleme. Was mir früher Freude bereitet hat, ödet mich inzwischen an. Nicht, weil ich keine Lust hätte zu lesen, sondern weil ich inzwischen kaum noch etwas finde, das mich wirklich interessiert.
Wie ihr inzwischen wahrscheinlich wisst, arbeite ich ehrenamtlich in der hiesigen Bücherei. Gestern hatte ich Dienst. Also wanderte ich durch die Regale und suchte nach einem Lesestoff, der mich eventuell vom Hocker reißt. Ja, ich weiß, es klingt verzweifelt - das bin ich inzwischen auch.
Aber zurück zur Situation.
Ich wende mich also zunächst an das Krimi / Thriller Regal, nehme verschiedene Bücher zur Hand und lese den jeweiligen Klappentext.
Was ich finde sind diverse Leichen, auf verschiedenste Arten verstümmelt oder schlicht um die Ecke gebracht - alle haben sie eines gemeinsam - sie sind tot. Nun gut, gibt das Genre halt vor. Dazu kommt dann ein Kommissar, Männlein oder Weiblein, meist mit Partner, oder ein neugieriger Journalist, eine Journalistin, manchmal ein Schriftsteller... oder auch eine normale Privatperson, die mit dem Leblosen konfrontiert wird.
Alles schon dagewesen - gähn.
Das Ermittlerteam findet natürlich den Mörder, auf X-beliebige Art die meistens auch keine Überraschung mehr ist - die Motive sind meist auch gängig - Eifersucht, Gier, verschleierter Unfall was auch immer, Der Journalist schreibt am Ende seinen ach so tollen AHA Artikel - weil ja sonst niemand drauf gekommen wäre. Der Schrifsteller überwindet seine Schreibblockade und wenn es eine Privatperson war, dann hat der Tote am Ende immer was mit ihr direkt zu tun, was während der Geschichte aufgedeckt wurde. Sei es der vermisste Bruder, der genetisch echte Vater oder der ex-Liebhaber der Mutter aus alter Zeit und ach, jetzt hat der/die Prota am Ende eine neue Familie, eine Stiefschwester oder was weiß ich.
ÖDE - Vorhersehbar - um das Ende zu kennen, muss ich mich nicht durch 500 Seiten quälen - Danke.
Beim Thriller sind es die ewigen Nerds, die psychisch kranken, die Massenmörder, die auf immer grausamer werdende Arten morden, verstümmeln, vergewaltigen, entführen, essen...
Ich kanns nicht mehr hören - ähm, lesen - Nerv
Ok, denke ich mir, Thriller/Krimi ist einfach nicht mehr meins und gehe weiter zu Familie/Liebe/Humor
Pffft - seichte Geschichten ohne Tiefgang, teilweise mit Humor, der aber leider nicht meiner ist, die Verschollene Person, die zurückkehrt, das Geheimnis der Mutter/Großmutter/Tante/Vater... sonstiger bekannter oder auch unbekannter Verwandten. Fehlt nur noch, dass es ums Geheimnis der Katze geht, dann ist das Genre endgültig tot.
Dreiecksgeschichten, Vierecksbeziehungen, Zig-ecksgeschichten, die Verflossene und doch wieder entdeckte Liebe, die unnahbare, die Zicke und doch liebenswert, sieh einer an - was für eine Überraschung.
Der/die/das verschollene Garten, Ring, Gemälde, Manuskript, Tagebuch, Tonband, Erbe, sonstige Gegenstände... Pantoffel, Kleiderbürste, Nagelknipser, Absatz, Hutschnur - letztere geht mir gerade hoch. Danke, aber - Nein, Danke!
Jungendbuch! Ja, genau. Ich schaue beim Jugendbuch nach - da werde ich vielleicht fündig. Hoffnung keimt in mir auf.
Ich treffe auf: Vampir-Liebe, Engel-Liebe, Götter-aller-Arten-Liebe, Tier-Liebe - ok, eine andere Art von Liebe aber immer noch Liebe zum Pferd, Hund, Katze, Maus, Huhn... *gnah
Erfolgsgeschichten vom Mauerblümchen zum Super... - Sänger, Tänzer, Reiter, Sportler, Model, Schreiber... Diktierer, Häkeldeckchenhäkler, Hüpfkästchenchampion - sorry es geht ein wenig mit mir durch.
Dann gibts noch die Besonderen, die Übernatürlichen, wie die Gedankenleser, Zauberer, Zeitreisenden, sich in Luft auflösende, Genmutierte, sonstwie supertollen.... *seufz
Alles folgt der einen Botschaft: Jeder kann was, hat was, weiß was, wird was - du musst nur deinen Platz finden und schon bist du ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft und trägst deinen Teil dazu bei. Und sei es nur, dass du am Ende reich bist und wir dich anschließend mit der Moralkeule totschlagen können.
Auch nicht meins - Danke.
Ein Schritt weiter und ich stehe vor dem Fantasy Regal.
Ohje... OHJE... OhOhjemine... *kopfschüttel *weitergeh
Ich blicke nochmal zurück *kopfschüttel
Meine Gedanken behalte ich lieber für mich - OH-JE-MI-NE
Historisches
Geschichte zum Anfassen - sollte man meinen. Ich finde hier schon mal zum Großteil Frauen! Die Baderin, Heilerin, Pafümeurin, ex Hure, noch Hure, wieder Hure... Meist dreht es sich um Anerkennung im patriarchischen System - die verkannte Ärztin, Studentin, Kräuterkundige, Nonne, Geschäftsfrau oder sonstwas. Die Frau als unterdrücktes Lustobjekt, Punchingball, Zierobjekt, die gegen ihren Willen, verheiratet, verschenkt, irgendwohin verschickt, verschifft, verbrannt, ver-sonstwas wird. Der Rest ist klassische Intrige, Verrat, Mord um Thron, Macht, Geld und sonstige Güter...
Schön - öhm, nicht schön... aber auch nichts Neues. Dazu kommt, dass diese Bücher grundsätzlich ausufern. Ein historischer Roman unter 800 Seiten ist nach dafürhalten der Verlage wohl wie ein halbes Steak auf dem Teller...
Ich glaube ich bleibe bei Bratwurst.
Sci-Fy
Neue Welten gibt es zu entdecken. Jawoll.
Ob Mit einem Raumschiff oder gleich einer ganzen Armada, per Anhalter, durch Portale, die geheim oder auch inzwischen nicht mehr ganz so geheim sind, wissenschaftlich möglich gemachte Zeitreisen, Wurmlöcher, wie auch immer auf fremde Planeten, Sytheme, ganze Gakaxien, Paralleluniversen, Zeitstrahlen reisen und diverse extraterrestrichen Lebewesen mit Schuppen, Fühlern, Panzern, Ganzkörperbehaarung, roter, grüner, lila, karierter Haut, kennenlernen, bekämpfen, vernichten, rasieren - eins weiß ich genau: Es gewinnen immer die Amerikaner!
Bionik, Kinetik, KI, diverse Bedrohungen für unseren Eigenen Planeten, wie Meteorite, Gammablitze, Supanova, Erderwärmung, Eiszeit, Viren wir driften langsam in die Apokalypse ab... Vielleicht werden wir ja eines Tages auch einfach zu Tode geschmust von einem yetiartigen Riesen vom fernen Planeten Plüschingen mit dem Namen Norbert.
Ich nehme einen tiefen Atemzug der Verzweiflung, schließe die Augen und drehe mich im Kreis. Gedanklich sehe ich die gefüllten Regale der einzelnen Genres an mir vorüberziehen. Ich halte an, strecke den Arm aus und greife blind zu - ich will lesen, lesen, lesen...
Tatsächlich halte ich ein Buch in der Hand, dessen Cover interessant aussieht. Ich sehe den Rücken eines kleinen blonden Mädchens. Es hält die Hand seines Ebenbildes, das seltsam verschwommen abgebildet ist, vor einer Küstenlandschaft. Eisige Zwillinge.
Interessant. Ja. Das kann was werden.
Ich lese den Klappentext NICHT! Ich will es mir nicht verleiden.
Zuhause beginne ich mit dem ersten Kapitel. Gut geschrieben, nichts zu mäkeln, immer noch interessant.
ACHTUNG SPOILER
Es geht um ein vormals reiches Ehepaar dass sich nach dem Tode eines ihrer Zwillingsmädchen entfremdet hat. Der Mann hat begonnen zu trinken und seinen Job verloren (ich sehe darüber hinweg und lese weiter), dadurch sind sie obendrein in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Er hat eine Insel im Norden Schottlands geerbt, die sein Bruder (ebenfalls und immer noch wohlhabend) nicht übernehmen will, weil sie ein finanzielles Risiko darstellt. Nun gut, wer nix mehr hat, kann nix mehr verlieren außer vielleicht die zweite Tochter - aber das deutet sich aus dem Text nicht an. Ein verzweifelter Neuanfang wird gewagt, das Stadthaus in London verkauft und bald werden sie sich auf die Socken machen - da zeichnet sich schon ein Geheimnis ab. Das Zwillingsmädchen verhält sich eigenartig (*freu, *freu, *ja wie fein, ich will mehr). Es folgen Vergleiche der beiden Mädchen, wie sie waren und sind. Seltsam nur, dass das eine Mädchen sich neuerdings verhält wie das andere, dass gestorben ist... (Nachtigall ich hör dir trapsen). Die Protagonistin sinniert über eine vage Möglichkeit... kann es sein, nein, sie will nicht zuende denken, das wäre eine Katastrophe (mir ist schon klar, woran sie denkt: hat sie vielleicht den falschen Zwilling beerdigt... hmpf - nagut ich lese weiter). Und dann kommt DIE Szene. Der Hund der beiden Mädchen (nennen wir ihn Jack) wird beobachtet. Er verhält sich dem lebenden Zwilling gegenüber genau so, wie er sich zuvor der toten Schwester gegenüber verhalten hat!
SPOILER ENDE
Ich schlage das Buch zu! Danke! Hälst du "Autor" mich eigentlich für vollkommen verblödet?
Damit weiß ich die Lösung nach knappen 20 Seiten und wenn du mir am Ende dann doch verkaufen willst, dass sich Jack irrt, dann nehme ich dir das niemals ab.
*Heul!
Was ist nur los mit mir?