Was mir insgesamt ein wenig die Freude an den Klassikern verleidet, sind weniger die Klassiker an sich, als vielmehr der Umgang mit den Klassikern. Warum muss in unseren Landen Bildung immer weh tun? Alles, was unterhält, ist irgendwie anrüchig. Da kommt mir ständig das Unterbewusstsein dazwischen und präsentiert den Umkehrschluss: Was nicht irgendwie anrüchig ist, kann ja schwerlich unterhaltsam sein. 
Und ich frage mich, woher kommt das? Denn obwohl ich keinen meiner Deutschlehrer ab Klasse sieben mochte, hat es mir immer unendlich viel Spaß gemacht, die Bücher im Unterricht zu lesen.
Meine Familie liest viel, eigentlich fast alle. Aber sog. "Klassiker" hat nur mein Urgroßvater gelesen und dessen Bücher sind zum größten Teil zu meinem Onkel nach Süddeutschland gekommen (und ich mag weder besagten Onkel noch Süddeutschland

).
Allerdings hatte ich mit dreizehn oder vierzehn (naja, jedenfalls siebte Klasse) ein Aha-Erlebnis. Wir sollten den "Schimmelreiter" lesen, aber die Klasse wollte nicht. Mir ist aber sofort klar geworden, ich kenne die Geschichte! Ich hatte mal das Ende eines Filmes gesehen, und das muss eine Verfilmung des Schimmelreiters gewesen sein. Mich hatten die wenigen Bilder, die ich damals gesehen hatte, so fasziniert, dass ich dieses Buch lesen
musste und zwar, bevor der Lehrer sich geschlagen gibt und die Lektüren wieder einsammeln konnte.
Danach war mir klar, dass auch Goethe und Schiller auf Deutsch schrieben und ich theoretisch
alles lesen kann, wenn ich mich nur auf den Text einlasse. Als ich dann entdeckt hatte, dass mein Lieblingsmärchen auch von Storm ist, habe ich es in der Kinderabteilung der Stadtbücherei nicht mehr ausgehalten.
Ich halte es für völlig "normal", dass man manche Klassiker mag und andere nicht. Für alle, die zum Beispiel Goethe nicht mögen, kann ich nur sagen, versucht es von Zeit zu Zeit noch mal. Ich konnte mit 16 Frisch nicht leiden, jetzt liebe ich ihn. Mit 18 probierte ich Hemingway und fand ihn ****, jetzt finde ich ihn klasse! Dafür kann ich mit Hesse nicht mehr sooo viel anfangen (außer Narziss und Goldmund

). Und auch sonst kommt immer noch was hinzu. Im Studium habe ich zum Beispiel um die Romantik nach zwei Kursen einen großen Bogen gemacht, langsam finde ich allerdings an Eichendorff gefallen (und den fand ich immer besonders schlimm!).
Und natürlich gibt es auch immer meine All times: Heine

, Goethe (der Werther! schon immer!), Schillers theoretische Schriften, Storm, Fontane, C.F. Meyer, Kafka

, Celan, Bachmann, Christa Wolf, Oscar Wilde, Dylan Thomas, Joyce, Shakespeare, Nabokov, Dostojewski... Die Liste ist lang und mein Bücherregal voll.
