Autor Thema: (KG) AT Weberin  (Gelesen 3096 mal)

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Offline eska

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(KG) AT Weberin
« am: 16 January 2019, 08:04:55 »
Liebe Mitteufel;

ich opfere mal wieder was auf dem Rost. Bevor er rostet *hust*. :grinwech:

Der Text ist schon etwas älter, ich habe ihn gestern für eine Lesung deutlich gestrafft und wüsste gern
1. ob ihm das geschadet hat, 2. was ihr zum Ende sagt, 3. was vielleicht noch gekürzt werden kann (300 Zeichen, also Kleinigkeiten).
Alles, was euch sonst noch ein- und auffällt, lasse ich mir dann auch gern zart gebräunt auf der Zunge zergehen.
Danke!

Ansonsten hoffentlich ein bisschen Vergnügen beim Lesen!
Gruß,

eska  :wink:


Anna saß am Webstuhl und versuchte, an nichts zu denken. Links, rechts, links, rechts - die Hände warfen das Schiffchen flink von einer Seite des violetten Streifens auf die andere, sie brauchte sich tückischerweise nicht zu konzentrieren. Heute war nur der Anfang eines Bildes zu weben, in zartem Lavendel, ein Auftragswerk für ein Schlafzimmer, gestern erst hatte sie die Kettfäden aufgezogen. Hah! heute müsste sie tiefrot weben, schreiendes Lila, dunkelstes Blau. Aufruhr, Schmerz, Schock - eine Scheidung, hatte er gesagt, an ihrem Tisch, entschuldigend lächelnd und einen Vollkornkeks auf ihre Dielen krümelnd, hatte es gewagt im Gegensatz zu allen Versprechungen zu sagen, eine Scheidung käme nun wohl doch erst einmal nicht in Frage.
Erst einmal? Wie lange gedachte er sie denn warten zu lassen? Wie selbstverliebt musste er sein, Erfolg gewohnt. Sie hatte es ihm wohl zu leicht gemacht, wie andere, viele andere vor ihr.
War ja auch kein Wunder - der Junge mit dem Wuschelhaar und der Künstlerseele in den Augen, der mit dem Blick des Malers alles zu verstehen schien, in verarbeiteter Form auf die Leinwand bannen konnte und damit wegzaubern ... wie sollte sie es ihm nicht leicht gemacht haben, als sie ihn auf dem Seminar für Pflanzenfarben in Dänemark kennengelernt hatte. Gar nichts war da passiert, im Nachhinein hatte sie das fast bedauert, aber so überrollt werden von plötzlichen Gefühlen, das war doch nicht ihre Gangart. Und dann hatte sie doch reagiert, als er am Flughafen in Frankfurt mit hinreißendem Lächeln um ihr Kofferschild gebeten hatte, ihrer Adresse wegen natürlich.
Hatte noch gar nichts gewusst über seine Bindungen, hatte auch nicht gefragt, aber entscheidende Tage und Nächte später, als seine Nähe bereits wichtig, lebens- und inspirationsspendend geworden war, da hatte sich herausgestellt, er war verheiratet, nicht mal unglücklich sogar, nur gelangweilt.
Sie hätte es wissen können: Natürlich hatte jemand Mitte dreißig eine Geschichte von Beziehungen, und nun gar jemand so Attraktives - und das nicht nur äußerlich - wie Thomas. Ihre Mutter hätte sicher die gepuderte Nase gerümpft, den Mundwinkel verzogen und mit dieser Stimme wie ein Spritzer Angostura gemeint: "Was kannst du schon erwarten? Ein Künstler!"
Der zweite Satz schmerzte mehr, denn während sie die Nichtachtung ihrer Weiblichkeit zumindest oberflächlich gewöhnt war, war ihre berufliche Orientierung das Minenfeld, auf dem sie nur kleinste Schritte wagte.
Hatte sie wirklich nicht mehr erwarten dürfen, sie, die naturgraue Maus, von einem, der Inspirationen sammelte, wo er ging und stand? Waren Menschen nichts als das für einen Künstler, aufblitzende Funken für das Feuer der Kreativität? Braende hieß ein Holzbündel auf Dänisch, genug für den einmaligen Verbrauch, für die Abende hatten sie immer gleich zwei oder drei gekauft.
Und was war dann sie, die nicht satt war, nicht mit einem Schulterzucken die Sehnsucht abschütteln konnte? Er oder die Gefühle, die er hervorrief, hatten sie befeuert, hatten Schwung und neuen Wagemut in ihre Kreationen getragen. Gewagt... Sie schwang auf ihrem Hocker herum und zog die Lade mit den Wollvorräten auf: Da, das dunkle Rot mit den lila Einsprengseln, dicke Schurwolle mit expressiven Knubbeln und deutlichem Geruch nach Schaf. Ab und an noch ein Hölzchen drin oder ein Dorn. Naturbelassen. Wie sie.
Lange saß sie da, das Knäuel in der Hand. Herzblut. Frauenpower. Inspiration. War er nicht allergisch gegen Nüsse? Dann lächelte sie. "Noch einen Keks, Lieber?"

« Letzte Änderung: 29 May 2019, 19:39:09 von FF »
  • Ich schreibe gerade: mal wieder kaum. Feinschliff Lethbridge ist dran. Diverses liegt wieder auf Eis.

Offline Ayira

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Re: AT Weberin
« Antwort #1 am: 16 January 2019, 08:36:53 »
Hallo eska, während dem Lesen sind mir ein paar Sachen aufgefallen. Leider hab ich grad nicht viel Zeit und muss mich auf das Wichtigste konzentrieren - das Ende:

Zitat
"Noch einen Keks, Lieber?"

Die Andeutung, ihn vermeintlich versehentlichen mit Nüssen zu vergiften, ginge ja noch durch - aber mit der direkten Rede schmeißt du mich aus der Geschichte: Ich dachte nämlich, sie sitzt allein vorm Webstuhl, vergrämt in der Erinnerung, wie er irgendwann davor mit dem Keks auf den Boden gebröselt hat.
Aber so hört es sich an, als säße er JETZT bei ihr. Da du das vorher nicht angedeutet hast (oder zumindest für mich nicht deutlich), bin ich nun verwirrt.  :wiejetzt:

lg Ayira
  • Ich schreibe gerade: Neseret - Atem des Feuergottes

Offline Uli

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Re: AT Weberin
« Antwort #2 am: 22 January 2019, 17:24:23 »
ay eska,

Also erstmal: Nein, ich glaube nicht, dass das Straffen der Geschichte geschadet hat. Also, insgesamt: Der Erzählton ist gut, trägt durch die Bilder, die grade deutlich genug sind, um klar zu sein und Platz lassen für das eigene ˋAusmalen ´. Also: Gelungen.

Bis auf das, was gemeinhin ˋPointe ´ genannt wird. Das hängt ein wenig:
Einen weiteren Keks anbieten, mit dem Wissen, dass die Zielperson allergisch ist, ist an sich sehr gut - nur, dass der Typ grade da ist, wird vorher nicht klar. Im Gegenteil, ich sehe eine Frau, die nach dem Abschied mit sich allein ist und ... aufarbeitet? Dafür spricht z.B. der Schlenker über die Mutter (den ich für wichtig halte) - mit seiner Presenz würde das so nicht ˋstimmen ´.
Zudem: Damit daraus eine Pointe wird, sollte die Allergie wenigstens lebendbedrohlich sein, nicht nur einen Hautausschlag auslösen - und eben das bleibt offen. Ist aber nachrangig gegen die Frage, wie seine Anwesenheit noch eingebaut werden kann, ohne der Geschichte die Dichte zu nehmen.

Ein kleiner Punkt ist (vielleicht), dass er am Tisch steht - das hat sowas von ˋein letzter Keks im Stehen ´.

Ich würde versuchen, seine Anwesenheit langsam dosiert einzuflechten, weil die Protagonistin in ihrer Gedankenwelt grade allein ist, und das so auch richtig scheint. Vielleicht mit einer Entwicklung von ˋganz in Gedanken ´ und Konzentration auf das Weben zu immer mehr Wahrnehmung der Umwelt.
Und damit zu immer mehr Presenz des Mannes, evtl dabei schon einflechten, wie heftig die Allergie zuschlagen kann ...

Hmmm.
Alternativ kann ich mir vorstellen, dass der Typ tatsächlich abgehauen ist, und die Prota jetzt erst realisiert, dass er wahrscheinlich gleich einen allergischen Schock bekommt, womöglich im Auto - und nichts weiter tut, nur weiter webt (anstatt ihn anzurufen und zu warnen)
Damit wäre dann zwar der Inhalt verändert, aber evtl auch leichter umzusetzen - und der Fokus könnte ganz bei der Prota bleiben (was mir die Änderung wert wäre).

ich hoffe, das hilft ...

(für alle Fälle noch ein  :kaffee2:, das hilft immer)
cheers, Uli

Offline eska

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Re: AT Weberin
« Antwort #3 am: 23 January 2019, 00:21:29 »
Oioi. :aufgeb:

@Ayira und Uli:
Da ihr beiden den letzten Satz jetzt so gelesen habt, als spreche Anna Thomas direkt an, als sei er also anwesend, muss ich das wohl ändern, denn nein, er ist nicht mehr da. Sie nimmt den nächsten Besuch in Gedanken vorweg (denn er will ja weiter beides haben, seine Ehe und die Liebelei, von der sie jetzt weiß, dass sie nicht mehr ist) und schmeckt sozusagen ihre Rache im Voraus. (*hmm, crunch, crunch, Nusskekse*)

Bis zum Schluss habt ihr das ja auch so gelesen, wenn ich euch richtig verstanden habe. Also wörtliche Rede raus. Und vielleicht noch etwas Erklärendes rein.
Auf jeden Fall schonmal vielen Dank! :wink:

eska
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