Liebe Mitteufel;
ich opfere mal wieder was auf dem Rost. Bevor er rostet *hust*.

Der Text ist schon etwas älter, ich habe ihn gestern für eine Lesung deutlich gestrafft und wüsste gern
1. ob ihm das geschadet hat, 2. was ihr zum Ende sagt, 3. was vielleicht noch gekürzt werden kann (300 Zeichen, also Kleinigkeiten).
Alles, was euch sonst noch ein- und auffällt, lasse ich mir dann auch gern zart gebräunt auf der Zunge zergehen.
Danke!
Ansonsten hoffentlich ein bisschen Vergnügen beim Lesen!
Gruß,
eska

Anna saß am Webstuhl und versuchte, an nichts zu denken. Links, rechts, links, rechts - die Hände warfen das Schiffchen flink von einer Seite des violetten Streifens auf die andere, sie brauchte sich tückischerweise nicht zu konzentrieren. Heute war nur der Anfang eines Bildes zu weben, in zartem Lavendel, ein Auftragswerk für ein Schlafzimmer, gestern erst hatte sie die Kettfäden aufgezogen. Hah! heute müsste sie tiefrot weben, schreiendes Lila, dunkelstes Blau. Aufruhr, Schmerz, Schock - eine Scheidung, hatte er gesagt, an ihrem Tisch, entschuldigend lächelnd und einen Vollkornkeks auf ihre Dielen krümelnd, hatte es gewagt im Gegensatz zu allen Versprechungen zu sagen, eine Scheidung käme nun wohl doch erst einmal nicht in Frage.
Erst einmal? Wie lange gedachte er sie denn warten zu lassen? Wie selbstverliebt musste er sein, Erfolg gewohnt. Sie hatte es ihm wohl zu leicht gemacht, wie andere, viele andere vor ihr.
War ja auch kein Wunder - der Junge mit dem Wuschelhaar und der Künstlerseele in den Augen, der mit dem Blick des Malers alles zu verstehen schien, in verarbeiteter Form auf die Leinwand bannen konnte und damit wegzaubern ... wie sollte sie es ihm nicht leicht gemacht haben, als sie ihn auf dem Seminar für Pflanzenfarben in Dänemark kennengelernt hatte. Gar nichts war da passiert, im Nachhinein hatte sie das fast bedauert, aber so überrollt werden von plötzlichen Gefühlen, das war doch nicht ihre Gangart. Und dann hatte sie doch reagiert, als er am Flughafen in Frankfurt mit hinreißendem Lächeln um ihr Kofferschild gebeten hatte, ihrer Adresse wegen natürlich.
Hatte noch gar nichts gewusst über seine Bindungen, hatte auch nicht gefragt, aber entscheidende Tage und Nächte später, als seine Nähe bereits wichtig, lebens- und inspirationsspendend geworden war, da hatte sich herausgestellt, er war verheiratet, nicht mal unglücklich sogar, nur gelangweilt.
Sie hätte es wissen können: Natürlich hatte jemand Mitte dreißig eine Geschichte von Beziehungen, und nun gar jemand so Attraktives - und das nicht nur äußerlich - wie Thomas. Ihre Mutter hätte sicher die gepuderte Nase gerümpft, den Mundwinkel verzogen und mit dieser Stimme wie ein Spritzer Angostura gemeint: "Was kannst du schon erwarten? Ein Künstler!"
Der zweite Satz schmerzte mehr, denn während sie die Nichtachtung ihrer Weiblichkeit zumindest oberflächlich gewöhnt war, war ihre berufliche Orientierung das Minenfeld, auf dem sie nur kleinste Schritte wagte.
Hatte sie wirklich nicht mehr erwarten dürfen, sie, die naturgraue Maus, von einem, der Inspirationen sammelte, wo er ging und stand? Waren Menschen nichts als das für einen Künstler, aufblitzende Funken für das Feuer der Kreativität? Braende hieß ein Holzbündel auf Dänisch, genug für den einmaligen Verbrauch, für die Abende hatten sie immer gleich zwei oder drei gekauft.
Und was war dann sie, die nicht satt war, nicht mit einem Schulterzucken die Sehnsucht abschütteln konnte? Er oder die Gefühle, die er hervorrief, hatten sie befeuert, hatten Schwung und neuen Wagemut in ihre Kreationen getragen. Gewagt... Sie schwang auf ihrem Hocker herum und zog die Lade mit den Wollvorräten auf: Da, das dunkle Rot mit den lila Einsprengseln, dicke Schurwolle mit expressiven Knubbeln und deutlichem Geruch nach Schaf. Ab und an noch ein Hölzchen drin oder ein Dorn. Naturbelassen. Wie sie.
Lange saß sie da, das Knäuel in der Hand. Herzblut. Frauenpower. Inspiration. War er nicht allergisch gegen Nüsse? Dann lächelte sie. "Noch einen Keks, Lieber?"