Huhu FF!
Schön, mal wieder was Neues von dir zu lesen.
Mir gefällt's: Der Text liest sich spannend, mit zahlreichen Wendungen und macht Lust auf mehr.
Kritik habe ich keine im Gepäck, eher Anmerkungen, von denen ein oder zwei auch kritisch sind. Aber da interessiert mich vor allem, was die Autorin sich dabei gedacht hat.
Erst einmal stimme ich Uli zu: Mir kommt die Erzählerin auch zu abgeklärt vor. Spontan hätte ich hinter dem Text auch Fantasy erwartet, bei dem Teil für die Jugend bin ich mir nicht so sicher, weil die Themen, die du hier direkt am Anfang ansprichst, schwer sind, da hilft auch die Ironisierung durch die Protagonistin (so sie die denn ist) nicht. Das zarte Alter von dreizehn Jahren stellt da außerdem die Frage nach der Zielgruppe.
Warum Fantasy? Das liegt zum Einen am ersten Absatz, in dem die Figur einen Fantasyroman liest, zum Anderen an der Autorin und ganz schlicht am Titel. "Das zwölfte Geheimnis" klingt nicht so nach Sozialdrama oder Coming of Age.
Was mir aufgefallen ist, der Reihe nach:
„Niemals!” rief die Grüne Hexe. „Ich werde dich vernichten!”
Der Sturmkönig lachte. Blitze zuckten über den Horizont, und Donner rollte in den Bergen. „Mich vernichten? Du Närrin! Weißt du nicht, dass dein Schicksal an meins gebunden ist? Es ist uns bestimmt, für immer
Klitzekleiner Kommafehler: Nach einem Ausrufezeichen grenzt ein Komma den nachgestellten Begleitsatz ab. Es muss also heißen:
"Niemals!", rief die Grüne Hexe.Zum Einstieg habe ich zwei Ideen, die eine hat mit Realitätsflucht der Protagonistin zu tun, die andere damit, dass die Fantasygeschichte die Beziehung der Mutter und des Stiefvaters zueinander spiegelt - Frau kämpft gegen Mann, will ihn vernichten (sich ein für allemal trennen?), doch der lacht darüber nur höhnisch, weil "das Schicksal" (die Misshandlungs(vor)erfahrung? Die dysfunktionalen Verhaltensmuster?) sie aneinander bindet. Sie würden also immer wieder und immer weiter gegeneinander kämpfen, so wie Lula es auch von den Eltern kennt; nie gibt es einen Schlussstrich, immer geht das Gestreite von Neuem los. Clever gemacht finde ich, dass der Sturmkönig, in der Übertragung der Stiefvater, mitten im Satz unterbrochen wird, gerade als er ihr erklären will, dass sie zur Wiederholung verdammt ... Und dann kommt der Lärm, der diesmal tatsächlich eine Veränderung bedeutet, eine, die Lula gar nicht mehr erwartet hat: Sie trennen sich voneinander.
Vielleicht lässt sich hieraus aber auch der Verlauf der weiteren Geschichte erahnen; ich habe mir, als die Mutter verkündete, dass es endgültig aus sei, gleich gedacht: Der lässt doch nicht locker. Weil solche Typen eine Trennung in der Regel nicht einfach mal so eben hinnehmen und danach in Frieden ausziehen, sondern meistens ist das der Startschuss für Stalking, Bedrohung, in den schwersten Fällen endet das mit Mord an der Ex-Partnerin, weil die narzisstische Kränkung nicht verwunden werden kann, dass die einem anderen Lebensentwurf als dem eigenen folgen will. "Du gehörst (zu) mir!"
Ooooder hat die Mutter dafür gesorgt, dass er das, öhm, nicht mehr tun können wird?
KRACH!
Der Erikativ funktioniert zwar gut in seiner Doppeldeutigkeit - das Krachen der Blitze und der Streitkrach, aber dass die Art des Lärms so undefiniert bleibt, macht es auch schwer, nachzuvollziehen, was los ist. Gleichzeitig bin ich mir nicht sicher, ob mir das nicht zu comichaft ist, aber dazu kenne ich die Hauptfigur auch noch nicht gut genug, um mir hier ein Urteil zu bilden. Erwarten würde ich bei der Vorgeschichte und den geschilderten Angstattacken, dass sie auf die Art des Lärms direkt mit einer bestimmten Horrorvorstellung reagiert und sich versteckt, in die Panikstarre geht oder, wenn sie's wirklich nicht einordnen kann, entweder gelähmt ist vor dem neuen Schrecken, der sich dahinter verbergen mag, oder eben nachsieht, falls irgendwie auszumachen ist, dass keine Gefahr droht (z.B. weil der Kerl still ist).
Es war also immer laut. Aber es gibt unterschiedliche Arten von Lärm. Die eine Art ist einfach nur “lautes Geräusch”. Dabei kann ich problemlos lernen, Hausaufgaben machen, lesen und schlafen. Die andere Art ist die, vor der ich Angst habe.
Leute, die sich im Wohnzimmer anbrüllen.
Das Klirren zerbrechender Teller und Tassen.
Faustschläge gegen verschlossene Türen.
Und das Krachen der Wohnungstür.
Die Stille danach war die einzige Stille, die ich kannte: über all dem Lärm der Stadt ein tonnenschweres Schweigen, während ich stocksteif auf meinem Bett lag und abwartete, wie es jetzt weiterging. Das hing immer davon ab, wer nun gerade die Wohnungstür hinter sich zugeschmettert hatte: Mama oder Rainer.
Wenn es Mama war, geschah nichts. Dann holte Rainer einen Kasten Bier aus dem Keller und setzte sich damit vor den Fernseher, bis Mama irgendwann spät nachts zurückkam. Am nächsten Tag taten sie dann immer so, als sei nichts gewesen.
Wenn aber Rainer ging, konnte alles Mögliche passieren. Manchmal kam Mama in mein Zimmer, grinste triumphierend und spendierte uns beiden ein Eis. Manchmal schloss sie sich stundenlang im Schlafzimmer ein und weinte. Und manchmal musste ich ihre beste Freundin Sandra anrufen, damit sie Mama ins Krankenhaus fuhr. Das kam nicht oft vor, aber oft genug, dass ich vor dem Warten und dem Schweigen fast noch mehr Angst hatte als vor dem Krach.
Das könnte man so lesen, als wäre mit dem KRACH! genau diese Abfolge von Geräuschen gemeint, aber für mich wird der Effekt (so gewollt) durch die beiden Wenn-Dann-Ausführungen eher abgeschwächt. So oder so: starker Absatz. Deutlich, ohne zu plakativ zu werden.
“Ich will ans Meer.” Wenn schon mein ganzes Leben gerade auseinandergerissen wurde, wollte ich wenigstens eine mögliche Richtung mitbestimmen.
Interessant finde ich, dass sie keine Reaktion auf die Trennung zeigt. Ich lese das so, dass sie keinen Zugang zu ihren eigentlichen Gefühlen hat, weil sie es sich nicht leisten kann, sich damit auseinanderzusetzen. So verstehe ich auch die vermeintliche "Abgeklärtheit" und Altklugheit. Lula scheint mir auch zerrissen zwischen dem Wunsch, das jetzt glauben zu wollen, aber doch nicht zu können, weil die gesamte Situation wieder dafür spricht, dass sich doch alles entwickelt wie immer (Eis spendieren usw.).
Ich zog einen hochmütigen Flunsch. “Seh’ ich aus, als wäre ich erst zwölf?” Immerhin war mein dreizehnter Geburtstag schon fast eine Woche her!
Hier klingt sie, als mache sie sich über sich selbst lustig und gleichzeitig über die anderen Zwölf-/Dreizehnjährigen, von denen sie so ein Verhalten kennt. Authentisch wirkt es auf mich nicht.
Nicht den Umzug, nicht den Abschied von der Schule (da mochte mich eh niemand) oder der Wohnung oder der Stadt, sondern den Abschied von der Angst. Es würde keine Kämpfe, keinen bösen Krach, kein Gebrüll und keine zuschlagenden Türen mehr geben.
"den Abschied von der Angst" - das ist eine der Stellen, an denen sie mir zu reflektiert für ihr Alter vorkommt. Klar, für jemanden wie sie ist es wichtig, sich abzusichern, immer zu wissen, was als nächstes kommt, aber gerade in so einem Augenblick würde ich von ihr eher ... innere Leere erwarten, weil ihre sonstigen Überlebensautomatismen gerade ausgeschaltet wurden. Vielleicht auch Unglauben. Wobei ich glaube, dass die echten Gefühle erst später kommen, wenn sie in Sicherheit ist, auf dem Weg zu Sophioma oder schon dort. Der Name "Sophioma" irritiert mich übrigens bei jedem Lesen. Ist das ein Eigenname, eine Zusammensetzung aus "Sophi" und "Oma"? Wenn letzteres, fehlt meiner Lesegewohnheit einfach das E nach dem I.

“Wie bei Papa, oder?”
Aber da war ich einen Schritt in die falsche Richtung gegangen.
Hier wird deutlich, wie sehr sie auch bei ihrer Mutter drauf achten muss, nichts falsches zu sagen oder zu tun. Und wie gewohnt sie das schon ist.
Sie redete nicht darüber. Ich hätte liebend gern stundenlang darüber geredet, warum mein richtiger Vater uns ohne ein Wort verlassen hatte, als ich zwei war. Aber das würde ich wohl nie herausfinden.
Die Formulierung impliziert geradezu, dass sie das im Laufe der Geschichte doch sehr wohl herausfinden wird. Ich hoffe gerade, das hat nichts mit dem zwölften Geheimnis zu tun oder einem möglichen Fantasyelement. Da du sie schreibst, erwarte ich's aber trotzdem nicht.
Sie kam nicht zurück, und ich hörte, wie sie die Spülmaschine ausräumte. Also aß ich mein Eis allein auf, aber es war nicht mehr so schön wie vorher. Danach ging ich wieder in mein Zimmer und packte meine Schminksachen ein. Und noch ein paar Bücher. Und natürlich Harpo, meinen Plüschraben. Alle anderen Stofftiere und die Puppen, für die ich eigentlich seit einer Woche viel zu alt war, würden eine Weile in den Umzugskisten wohnen müssen. Aber nicht Harpo.
Harpo, interessanter Name.

Als es dunkel wurde, legte ich mich ins Bett. Eigentlich wollte ich mich noch eine Weile im Zimmer umsehen und darüber nachsinnen, dass dies meine letzte Nacht hier war, aber mein Körper hatte mal wieder kein Gespür fürs Drama, und ich schlief beinahe sofort ein.
"kein Gespür fürs Drama", wieder so ein Satz. Einerseits verdeutlicht der die Trennung zwischen Körper und Geist am besten: sie kennt sich selbst nicht, kann ihre Erschöpfung nicht spüren (?), zumindest nicht deuten und erwartet von sich mehr, als sie leisten kann. Aber da von "Gespür fürs Drama" zu sprechen, ist zwar schön bissig ironisch, würde ich aber eher von einer fünfzehn- oder sechzehnjährigen Lula erwarten, nicht von der Dreizehnjährigen.
So fing es an.
WAS?

Ich hoffe, da sind ein paar Krümel dabei, die dir weiterhelfen, die Geschichte zu bändigen. Falls irgendwo was unverständlich oder offen geblieben sein sollte, frag ruhig nach. Meine Konzentration macht nicht so viel mit, Hitze und Schlaflosigkeit dank Hitze sei Dank (sic!).
Alles Liebe!
Lilith