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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von Quisille am 08 February 2023, 17:32:49 »
Und ein ratterndes Schreiberhirn ist doch das Beste, was man mit einer Textkritik erreichen kann, oder?

Freut mich! :dops: Mein's schwappt momentan eher so rum in den Dingen, die ich ihm so zumute ...

 :b1:
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von nus am 08 February 2023, 16:42:50 »
Hi Quisi!

Danke für Dein Feedback!
Ich freue mich gerade so richtig, dass die Textarbeit hier im Forum immer noch lebendig ist (auch wenn es nicht mehr so viele Texte sind, die eingestellt werden).

Zitat
Der Übergang vom Reflektieren auf eine wie real durchlebte Angstphantasie ist mir zu stark, ich nehme sie der Figur nicht ab. Am Ende wird sie sogar halb ohnmächtig. Das reißt mich raus, so theatralisch ist der Text an keiner anderen Stelle. Die Angst an sich ist richtig und wichtig, nur die Art, wie sie sich äußert, scheint leicht überzogen. In dieser Situation vor Angst ohnmächtig zu werden, ist dem Überleben nicht förderlich. Zu erstarren und sich hinzuhocken allerdings schon. Ab dieser Stelle ist der Text wieder zu alter Form aufgelaufen.

Das scheint eine Stelle zu sein, an die ich unbedingt noch mal ran muss. Deine Argumentation kann ich nachvollziehen, und Eska ist ja auch da hängen geblieben (auch wenn es ihr primär um das Würmer-Bild ging). Ich weiß noch nicht, wie ich die Angst hier anders darstelle, aber mein Schreiberhirn rattert schon. Und ein ratterndes Schreiberhirn ist doch das Beste, was man mit einer Textkritik erreichen kann, oder?

lg
nus
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von Quisille am 03 February 2023, 09:53:01 »
Hallo nus!

Ein paar lose Gedanken zur Geschichte:

Ich fühle mich an die siebziger Jahre erinnert, was für sich genommen schon mal sehr nett ist. Ich mochte die Siebziger. (Bis auf die Mode und das Design, die waren grottig.) Die damals sehr viel präsentere Angst vor dem Bösen Mann, die Anspielung auf Kästner mit der spiegelnden Lehrerglatze (aus Pünktchen und Anton, wenn ich mich recht erinnere), die Wandertagatmosphäre, die völlig irrationale Sorge der Lehrer. (Welcher Pädophile, der einigermaßen auf Effizienz bedacht ist, legt sich mitten im Wald auf die Lauer in der vagen Hoffnung, dass da irgendwann Kinder vorbeikommen?)

Auch der Titel "Verdammtes Miststück" passt irgendwie in die Zeit. Provozieren ja, denn wir sind progressiv, aber nicht zu viel, denn die Eltern sind altgediente 68iger, und die achten schon sehr darauf, dass der Protest nicht stört und genau der richtige ist.

Nichtsdestotrotz sind genug Anklänge an die Jetztzeit vorhanden, um die Sache von einer bloßen Nostalgie zu einem modernen Text machen. Die vermeintliche Bedrohungslage wird parodiert und dekonstruiert. Der Gruppenzwang der Clique ist heute nach wie vor Thema: Wenn auch die Schlachtfelder sich von Mutproben eher auf Klamotten und Accesoires verlagert haben mögen, der Krieg ist nach wie vor derselbe.

An einer Stelle gibt es nach meinem Empfinden einen Bruch:

Zitat
Wieder ein Geräusch, weiter entfernt. Da ist etwas. Jemand, schießt es Mimi durch den Kopf. Ein Mensch. Ein Mann.

Mimi erstarrt. Ihr Herz schlägt so heftig, dass sie kaum Luft bekommt. Jetzt kann sie Schritte ausmachen, die näher kommen. Nein, sie entfernen sich. Nein. Die Schritte umkreisen sie. Sie sind hinter ihr. Ihr Körper spannt sich, und sie spürt überdeutlich den Druck der Rucksackträger, als ob sich Hände auf ihre Schultern gelegt hätten. Sie will die Hände abschütteln, aber sie kann sich nicht bewegen. Der Mann ist hinter ihr und wartet. Worauf? Will er ihre Angst auskosten, bevor ... War es so, als er Philipp S. entführt hat? Wo hat er ihn hingebracht? Was hat er mit ihm gemacht?

Vor Mimis Augen wird es dunkel. Ein Keller. Feuchter, modriger Geruch. Ein schmaler Lichtschacht, durch den fahle Dämmerung auf den Betonboden sickert. Eine schwere Tür, die sich öffnet, eine massige Gestalt: der Mann. Sein Gesicht ist eine dunkle Masse.

Das Grauen kriecht in Mimis Mund. Würmer, die sich winden, sie spürt die schleimigen Leiber auf ihrer Zunge, in ihrem Hals und muss würgen. Der Waldboden unter ihren Füßen dreht sich, hebt sich ihr entgegen, sie fällt nach vorn, auf Hände und Knie. Heftiger Schmerz pocht in ihrem Kopf. Sie meint zu ersticken. Die Würmer ausspucken. Atmen. Ein. Aus.

Der Übergang vom Reflektieren auf eine wie real durchlebte Angstphantasie ist mir zu stark, ich nehme sie der Figur nicht ab. Am Ende wird sie sogar halb ohnmächtig. Das reißt mich raus, so theatralisch ist der Text an keiner anderen Stelle. Die Angst an sich ist richtig und wichtig, nur die Art, wie sie sich äußert, scheint leicht überzogen. In dieser Situation vor Angst ohnmächtig zu werden, ist dem Überleben nicht förderlich. Zu erstarren und sich hinzuhocken allerdings schon. Ab dieser Stelle ist der Text wieder zu alter Form aufgelaufen.

Kurzum, ein insgesamt stimmiger Text, atmosphärisch dicht, auf den ich mich gerne eingelassen habe.

Liebe Grüße
Q.
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von nus am 02 February 2023, 10:55:44 »
Lieber Uli!
Jemanden zu verwirren, das ist doch schon mal was! :D
Erst einmal vielen Dank fürs Lesen und für die Rückmeldung.
Die Geschichte „soll“ gar nichts.  Will sagen: Es geht mir nicht um eine Message. OK, ich habe mir beim Schreiben einiges gedacht und auch in die Geschichte „reingepackt“ - angefangen beim klassischen David-gegen-Goliath-Motiv (darum auch der Linolschnitt, der einer Darstellung dieses Motivs auf einer antiken griechischen Vase nachempfunden ist) über das dringende Bedürfnis nach Anerkennung bis hin zum trügerischen Gefühl der eigenen Stärke, das sich dann ins Gegenteil verkehrt. Und noch einiges mehr.
Aber für mich sind meine Geschichten inzwischen so etwas wie Theo Jansens Strandbeests. Vielleicht kennst Du diesen Künstler - ich beziehe mich immer wieder gerne auf ihn. Er konstruiert und baut riesengroße Wesen aus Plastikrohren, die sich angetrieben vom Wind quasi eigenständig bewegen. Wenn er sie am Strand sich selbst überlässt, ist das ein In-die-Welt-Hinausschicken (ich vergleiche das auch gern mit dem Kinder-„Aufziehen“). Ich finde das sehr berührend, wie die großen Biester manchmal ganz heroisch unter strahlend blauem Himmel dahinmarschieren und dann wieder im Regen und ohne Wind ganz traurig dastehen. Manche laufen auch ins Meer und ertrinken.  :'(
So ist das auch mit meinen Geschichten. Ich schicke sie in die Welt hinaus, und manchmal treffen sie auf einen Leser, bei dem sie etwas bewirken, einen Leser, der darin etwas für sich entdeckt. Manchmal treffen sie aber auch auf einen Leser, der nichts mit ihnen anfangen kann. Aber sie sind nicht mit einer Message ausgestattet (um nicht zu sagen: Sie tragen nicht die Last einer Message.). Dann wären sie ja nur ein Vehikel, das diese Message transportiert. Das ist nicht mein Ansatz (übrigens auch nicht bei der Erziehung meiner Kinder :D). Darum frage ich auch nicht (mehr), ob eine Geschichte „funktioniert“. Meine Geschichten müssen nicht funktionieren. Sie sind ja keine technischen Geräte. Sie sind eher wie Strandbeests oder … wie Kinder.
lg
nus
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von Uli am 28 January 2023, 19:54:01 »
ay nus,

ich habe diese Geschichte immer wieder gelesen … und (grob gesagt): Ich kann damit wenig anfangen. Sorry. Es ist gut geschrieben, liest sich flüssig, soweit alles gut - aber offenbar ist das alles gar nicht meine Welt.
Wobei: Eben deshalb habe ich es mehrfach gelesen. Weil ich einerseits nicht verstehe, was die Geschichte soll, andererseits durchaus erkenne, dass da was ist, was nicht belanglos sein sollte.
Insofern: Ja, ein Erfolg.
Weil, du schaffst es, bei jemandem, der im Reflex sagen muss ˋHÄ?´, Interesse zu wecken …

Interesse an der Frage: Warum schreibt eine offensichtlich fähige Autorin … sowas. Was ist der Punkt, der über das offensichtliche (prä-coming of age?) hinausgeht? Ok, ein wenig Würze durch den Mord an dem Mitschüler, ja, aber offenbar dringt das ja nicht durch - weder bei der Protagonistin oder sonstwem. Und eben auch nicht bei mir, und genau das … beschäftigt mich.


Irgendwo da drin ist etwas, was ich nicht verstehe - aber vielleicht verstehen sollte.
Hmm.

Ich hoffe, dass dieses Zeugnis von Verwirrung dir irgendwie hilft. Sonst ignoriere es einfach.

(PS: Der Linoldruck ist … stark. Und ich erkenne den Zusammenhang nicht … same play?)
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von nus am 23 January 2023, 13:33:32 »
Hier noch der Linoldruck (aus einem Stück Schul-Fußboden  ;D), den ich dazu gemacht habe.
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von nus am 23 January 2023, 13:21:57 »
Liebe CheFFin!

Danke für Deine Anmerkungen!

Zitat
Welches Mädchen dieser Welt WILL "Verdammtes Miststück" genannt werden? Gibt es da keinen heroischeren Titel? Selbst mit zehn Jahren wäre ich da keine Anwärterin gewesen.
Ich schon. Es gibt ein paar Leute, die ich kenne und sehr mag, die das als ehrliche Anerkennung meinen ;) Hier kommt das ja auch von dem großen Bruder kommt. Aber vielleicht ändere ich das noch. Ich denke da spontan an etwas Englisches (vielleicht „Bitch“), das Mimi gar nicht übersetzen kann.

Zitat
Und dass dieser Titel von so absolut belanglosen Zufällen abhängt wie klebendem oder nicht klebendem Kaugummi, gefällt mir auch nicht besonders.
Nein, der Titel hängt nicht von klebenden oder nicht klebenden Kaugummis ab. Sondern davon, ob sich eine Anwärterin in ausreichendem Maß als Miststück verhalten hat (vor allem gegenüber den/m Lehrer/n). Und die Beurteilung, ob das Maß ausreicht oder nicht, liegt allein bei Carla. Darum machen sie alles, was Carla vorgibt, in der Hoffnung, dass das Erfüllen der Aufträge (z.B. das Kaugummi-Aufkleben) irgendwann ausreicht. Aber keine der Anwärterinnen kann abschätzen, wann die Anstrengungen ausreichen. Darum versucht Mimi ja auch, eigeninitiativ etwas ganz besonders Miststückhaftes zu tun.

Zitat
Und am Schluss wird leider auch nicht klar, ob Mimi den Titel nun "gewonnen" hat oder ob sie ihn vielleicht gar nicht mehr will, weil sie einen kleinen Blick auf die Realität geworfen hat.
Meine Vorstellung ist, dass sie den Titel nicht bekommt. Ausgangspunkt für diese Geschichte war für mich das antike David-gegen-Goliath-Motiv. Der Lehrer scheint den Miststücken zunächst unterlegen, ein leichtes Opfer. Aber am Ende besiegt er sie.
Aber für mich ist es nicht wichtig, ob der Leser diese Mechanik nachvollzieht. Ich habe da keine Mission. Mir kommt es darauf an, dass der Leser [bold]irgendwas [/bold]aus der Geschichte zieht. Und wenn es nur ein bisschen Unterhaltung ist.

Zitat
Übrigens glaube ich, dass sie mit dem Namen Mimi ("Mimimimi") nicht die geringste Chance hat.
„Mimi“ ist mein Standard-KG-Protagonistinnen-Name. XD Dass er hier nicht so gut passt, ist mir daher gar nicht aufgefallen. Aber das kann ich ja ändern.

Zitat
Woher kommt die Vorstellung eines finsteren Kellers? Wurde Philipp nicht im Wald gefunden? Das Bild reißt mich ziemlich raus, und ich würde eher an Ratten und Spinnen denken, nicht an Würmer.
Huch - in meiner Vorstellung wurde er entführt, in einem Keller gefangen gehalten und dann in einem Waldstück abgelegt. Hm … Ich denke mal darüber nach, wie ich das entweder klarer machen oder ändern kann.

lg
nus
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von FF am 20 January 2023, 09:09:18 »
Hallo nus,

heute komme ich endlich mal zum Lesen.

Ich finde die Geschichte gut, und sie "wirkt" auch - ich war auch schon allein im Wald (alle Jungen waren schneller als ich, die Lehrer dachten, ich sei im Bus bei den anderen Mädchen, keiner hat mich vermisst) und hab mich heftig gefürchtet. Das ist dir gut gelungen, auch die Beschreibung der Hitze und der Gruppendynamik.

Aber.

Welches Mädchen dieser Welt WILL "Verdammtes Miststück" genannt werden? Gibt es da keinen heroischeren Titel? Selbst mit zehn Jahren wäre ich da keine Anwärterin gewesen. Und dass dieser Titel von so absolut belanglosen Zufällen abhängt wie klebendem oder nicht klebendem Kaugummi, gefällt mir auch nicht besonders. Und am Schluss wird leider auch nicht klar, ob Mimi den Titel nun "gewonnen" hat oder ob sie ihn vielleicht gar nicht mehr will, weil sie einen kleinen Blick auf die Realität geworfen hat. Übrigens glaube ich, dass sie mit dem Namen Mimi ("Mimimimi") nicht die geringste Chance hat.

Woher kommt die Voorstellung eines finsteren Kellers? Wurde Philipp nicht im Wald gefunden? Das Bild reißt mich ziemlich raus, und ich würde eher an Ratten und Spinnen denken, nicht an Würmer.

Von mir also erstmal :g2:
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von nus am 12 January 2023, 16:16:59 »
Liebe eska!

Danke für Deine ausführliche Rückmeldung!


Zitat
… dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit, das - so verstehe ich es - den Reiz der Verdammten Miststücke ausmacht.
Ja, genau, das ist es, was diese kleinen Bitches lockt.  ;D

Zitat
Ja, das können sie sein, Kinder und andere Menschen, die sich (noch) nicht in ihr Gegenüber einfühlen: verdammte Miststücke, machen Ärger aus Spaß daran. Und dann, einen Fingerbreit daneben, sitzt die andere Seele klein und zittrig in ihrer Brust und bricht zum Ende hervor. Vielleicht bedingt diese sogar die andere. Vielleicht müsste Mimi sich Carla gegenüber nicht beweisen, wenn sie sich nicht unbedeutend fühlte. Vielleicht müsste sie die Kratzer und Wunden nicht ertragen, wenn da nicht andere viel stärker brennen würden.
Stimmt!

Zitat
… auch die von Sassmann. In den Augen der Kinder ist er eine Null, ist das Opfer ihrer Angriffe, verzählt sich dann auch noch endgültig (Superschachzug!), damit ist er disqualifiziert. Mimi malt sich aus, wie er in Panik verfallen und sie das genießen wird. Wie du das umgedreht hast, dass sie in Panik ist und er nichts sagt (!), nur vor ihr herstiefelt, das ist große Klasse!
Jep. Diese Geschichte ist im Grunde eine David-gegen-Goliath-Geschichte. Ich habe dazu letztens (als ich noch um das Ende gerungen habe) einen Linolschnitt gemacht. Wenn ich das nächste Mal an meinem Rechner sitze, lade ich ihn mal hoch.

Zitat
Weil wir bei Realismus sind: Zwei Stunden Pause sind viel zu lang, da würden alle Schüler übermütig. Eine halbe Stunde maximal zum Ausruhen, und das erst, wenn die Kids ziemlich geschafft sind, vor allem, weil da ja nichts ist, was sie beschäftigt.
Ok, das nehme ich auf.

Zitat
Diesen Absatz hier liebe ich: Augen und Ohren, die beiden Hauptsinne versagen, sofort setzt die Fantasie ein. Aus dem friedlichen, stillen Waldstück wird die Bedrohung.
:blush:

Zitat
Das mit den Würmern finde ich ein gewagtes Bild, es hat mich aber nicht gestört. Dass Angst einen zum Würgen bringt, kann ich nachvollziehen, die schleimigen Leiber nicht - glücklicherweise. Im Nachhinein überlege ich allerdings, ob sie für diesen Vergleich nicht wirklich mal Würmer im Mund gehabt haben muss.
Auch wenn‘s Dich nicht gestört hat, versuche ich es mal mit einem anderen Bild. Habe zwar noch keine zündende Idee, aber ich denke drüber nach.

lg
nus
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Grill / Re: (KG) Wandertag
« Letzter Beitrag von eska am 11 January 2023, 23:09:38 »
Hi Nus. :)

Neues Grillgut ist ja immer was Schönes. *Hände reib*
Und es passt gut, dass ich heute Abend Zeit habe.

Aber vor allem lockt mich deine Geschichte, hat mich gelockt, schon durch den Titel, hat mich gepackt, eigentlich gleich bei den ersten Worten, spätestens beim

Zitat
Heute wird sie beweisen, dass sie Carlas Gunst verdient hat.

Und dann ist sie so stimmungsreich, so viele kleine Details nehmen einen mit in den Wald, in die Hitze, in die Verachtung der Kinder für ihre ach so dämlichen Lehrer-Erwachsenen. In dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit, das - so verstehe ich es - den Reiz der Verdammten Miststücke ausmacht.

Was gefällt mir besonders?
Sie ist vom Timing her gut austariert, entwickelt sich langsam, lässt sich und uns Zeit, alles aufzunehmen, vielleicht anhand der kleinen Hinweise die Schrecken des Endes uns ausmalen, kreiert gekonnt Spannung. Ich ahne schon, das es Mimi darum geht, sich abzusondern (gegen den andauernden Befehl zusammenzubleiben), argwöhne zwischendurch, dass Carla aber gar nichts sagen und sie deutlich länger sitzen lassen wird, grusele mich einen Moment mit ihr mit, wer denn da rumschleicht.

Diese Mädchen, die genau wissen, was sie anrichten wollen und können, die die anderen, aber auch sich selbst genau beobachten und analysieren - das ist kein Versatzstück, sondern präzise eingefangene Beobachtung. Ja, das können sie sein, Kinder und andere Menschen, die sich (noch) nicht in ihr Gegenüber einfühlen: verdammte Miststücke, machen Ärger aus Spaß daran. Und dann, einen Fingerbreit daneben, sitzt die andere Seele klein und zittrig in ihrer Brust und bricht zum Ende hervor. Vielleicht bedingt diese sogar die andere. Vielleicht müsste Mimi sich Carla gegenüber nicht beweisen, wenn sie sich nicht unbedeutend fühlte. Vielleicht müsste sie die Kratzer und Wunden nicht ertragen, wenn da nicht andere viel stärker brennen würden. Du deutest ja nichts Konkretes an, aber warum sehnt sich Mimi so nach einem großen Bruder? Eine sehr schöne Charakterzeichnung also. Und nicht nur von Mimi und Carla, auch die von Sassmann. In den Augen der Kinder ist er eine Null, ist das Opfer ihrer Angriffe, verzählt sich dann auch noch endgültig (Superschachzug!), damit ist er disqualifiziert. Mimi malt sich aus, wie er in Panik verfallen und sie das genießen wird. Wie du das umgedreht hast, dass sie in Panik ist und er nichts sagt (!), nur vor ihr herstiefelt, das ist große Klasse! (Wobei ich als Lehrerin nicht glaube, dass das ein Lehrer in der Situation könnte, einfach schweigende Autorität sein, die reden, trösten usw., aber das ist nebensächlich.)

Weil wir bei Realismus sind: Zwei Stunden Pause sind viel zu lang, da würden alle Schüler übermütig. Eine halbe Stunde maximal zum Ausruhen, und das erst, wenn die Kids ziemlich geschafft sind, vor allem, weil da ja nichts ist, was sie beschäftigt. Wahrscheinlich hätten die Lehrer irgendein Spiel dabei, ein Quiz, eine Rallye, einen Auswertungsbogen der geforderten Beobachtungen dieses Waldwandertages (Lernziel Ökosystem oder Baumarten oder Waldtiere oder oder). Machen bei Freiwilligkeit natürlich nur die Streber mit.

Diesen Absatz hier liebe ich: Augen und Ohren, die beiden Hauptsinne versagen, sofort setzt die Fantasie ein. Aus dem friedlichen, stillen Waldstück wird die Bedrohung.

Zitat
Nach dem hellen Sonnenlicht haben ihre Augen Schwierigkeiten, etwas zu erkennen. Gleißende Flecken tanzen zwischen den dunklen Baumstämmen umher. Trockene Äste knacken unter ihren Füßen. Es riecht nach Holz und Wärme, und es ist ganz still. Sie bleibt stehen und lauscht. Erst jetzt wird ihr bewusst, wie still. Kein Vogelgezwitscher, kein Wind in den Wipfeln der Fichten, nicht einmal das ferne Rauschen einer Straße. Sie hört nur ihr eigenes Ein- und Ausatmen, und als sie die Luft anhält, hört sie gar nichts mehr.

Das mit den Würmern finde ich ein gewagtes Bild, es hat mich aber nicht gestört. Dass Angst einen zum Würgen bringt, kann ich nachvollziehen, die schleimigen Leiber nicht - glücklicherweise. Im Nachhinein überlege ich allerdings, ob sie für diesen Vergleich nicht wirklich mal Würmer im Mund gehabt haben muss.
Und im selben Gedanken: Sie will sich so klein und tot stellen, dass sie

Zitat
Nichts mehr spürt, keine Angst, keine Reue, nichts.

Das mit der Reue klingt nach einer realen Bestrafungssituation. Bringt mich zu dem detailliert imaginierten Keller. Lässt mich vielleicht weiter denken, als du es hier brauchst und möchtest.


So viel für heute Abend.
Danke fürs Einstellen!

Gute Nacht.

eska

P.S:: Die wischenden Zöpfe sind mir komisch aufgefallen. Wippen passt für mich besser.
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